Ein geistvolles, schönes Werk
… in die Kategorie der »Symphonie« gehört, sondern vielmehr als eine gelungene Suite anzusehen ist − daran bestand für Leute vom musikalischen Fach nicht der geringste Zweifel. Ebensowenig ist zu leugnen, daß Carl Goldmark auf dem Gebiete der Instrumentalmusik stets am besten abschnitt, wenn er sich auf »Stimmungen« beschränkte. Während er mit Sakuntala und der ländlichen »Bilderfolge« reüssierte, zeigte sich stets aufs neue, daß die strikte Architektur klassischen Ursprungs und der »stimmige« Zyklus nicht zu seinen Stärken gehörten. Gleichwohl hat der Komponist auf kammermusikalischem und orchestralen Terrain immer wieder die »große Form« in Angriff genommen: Zwei Klaviertrios, je ein Quartett und Quintett für Streicher, das Klavierquintett, die Violinsonate und das Violinkonzert künden von dem unablässigen Streben nach einem vollständigen Gelingen, das die Kritik freilich nirgends wirklich zu entdecken vermag.
So geht es Ende der achtziger Jahre auch der zweiten Symphonie in Es-dur op. 35, die ihrem ganzen Aufbau formgerecht gehalten ist. In Dresden nimmt man das mit wohlwollender Freundlichkeit zur Kenntnis:
• Dresden, 7. Dec. Die Königl. Sächsische musikalische Capelle brachte in ihrem dritten Symphonie-Concert am 2. Dec., unter Direction des Capellmeisters Schuch, Ouvertüre zur Oper »La chasse du jeune Henri«, Symphonie (Amoll) von Mendelssohn und (zum ersten Mal) Symphonie (Esdur, Manuscript) von Goldmark zu herrlicher Ausführung. Goldmark’s Symphonie ist ein geistvolles, schönes Werk, voll reichster Erfindung, großer Klarheit und überraschender, oft bestrickender Klangcombinationen. Letzteres gilt ganz besonders vom Scherzo (Allegro quasi presto), welches, auf stürmisches Verlangen des Publicums, Dacapo gegeben werden mußte. Unter den neueren Erscheinungen auf diesem Musikgebiet wird vorliegende Symphonie jedenfalls einen Ehrenplatz einnehmen und bald ihren Einzug in alle besseren Concertsäle halten. (Signale für die musikalische Welt 1887/70)
Doch schon aus Berlin kommen andere Signale:
• Die königliche Capelle eröffnete am 29. Februar den zweiten Cyclus ihrer Symphoniesoiréen mit einem rein instrumentalen Programm. […] Das gleichzeitig angesetzte populäre Concert der philharmonischen Capelle übte einestheils durch die Mitwirkung des Pianisten Herrn Rummel, welcher die Clavierconcerte in Esdur von Beethoven und in Esdur von Liszt zum Vortrag brachte, anderntheils durch die erste Aufführung der neuen Esdur Symphonie von Goldmark, eine außergewöhnliche Anziehungskraft aus. Man hatte sich von letzterem Werk viel versprochen, aber so voll befriedigt, wie anderen Orts, ist man nicht von ihm gewesen. Es interessirte mehr durch eine glänzende Mache, als es durch inneren Gedankenreichthum zu fesseln und zu wirken vermochte. Am meisten zündete das mit großem orchestralen Raffinement in Scene gesetzte Scherzo, welches Da Capo gespielt werden mußte. Von den übrigen Sätzen erzielten der erste und das Adagio eine sehr freundliche Aufnahme, während der letzte, als der entschieden schwächste, nur mäßigen Beifall fand. Das Orchester that dem schwierigen Werke alle Ehre an. (Signale für die musikalische Welt 1887/70)
☞ In Wien, wo das neue Werk drei Tage vor dem Schalttag des Jahres 1888 ihre lokale Premiere erlebte, befassen sich unsere mittlerweile hinlänglich bekannten Berichterstatter und Kommentatoren auf gewohnt umfassende Weise mit der Novität des heimischen Komponisten:
Wiener Montags-Journal vom 27. Februar 1888
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Wiener Sonn- und Montagszeitung vom 27. Februar 1888
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Wiener Zeitung • Abendpost vom 29. Februar 1888
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Neue Freie Presse vom 29. Februar 1888
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Die Presse vom 1. März 1889
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☞ Auch aus Leipzig, wo Goldmarks Opus 35 am 24. Januar 1889 erstmals gespielt wurde, kommen wechselhafte Stellungnahmen. Das Publikum ist begeistert, die Kritik zergliedert das Werk in seine als ungleichwertig empfundenen Teile:
Neue Zeitschrift für Musik vom 30. Januar 1889
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Musikalisches Wochenblatt vom 31. Januar 1889
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Signale für die musikalische Welt 1889/8
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Kurz danach können sich die Fachleute wieder mit dem Stimmungszeichner Carl Goldmark befassen, der inzwischen in Gmunden am Traunsee einen überraschenden Doppelschlag vorbereitet hat ☞.