Es klopft ein voller Puls darin …

Im sechsten philharmonischen Concerte gelangte eine neue Symphonie in Es-dur von Goldmark zur ersten Aufführung. Dieses Werk hat im Ganzen einen Vorzug, der heute bereits ein seltener geworden ist, nämlich einen frischen, lebendigen Zug, einen munter fortströmenden Fluß des Tonsatzes. Es klopft ein voller Puls darin, der nur im Andante intermittirend wird. Der erste Satz ist wohl der beste und gelungenste. Man verzeiht ihm gern die kleine Reminiscenz des zweiten (Gesangs-) Themas an das zweite ländlerartige Motiv aus dem ersten Satze des Schubert’schen Symphonie-Fragmentes in H-moll. Der gleichsam verschleierte Durchführungssatz ist höchst interessant, die Wiederkehr des Hauptsatzes mit bester Wirkung vorbereitet und der Abschluß des ganzen Satzes kräftig und energisch. Der zweite Satz (Andante) ist trotz der zigeunerischen Geigenfiguren blässer in der Farbe, wenn auch demselben Feinheit der Instrumentation und Durchführung lobend zuzuerkennen ist. Das Scherzo, ein in Staccati lebhaft einhertänzelndes Allegro quasi presto, hüpft wohl auf Mendelssohn’schen Elfenbeinen und ist dabei von Berlioz’schen Spinngeweben durchzogen. Doch was schadet dies? Es ist ein feines, pikant gemachtes Musikstücks, welches – das ist ja die Hauptsache – unfehlbar wirkt, wenn auch die Wirkung im Trio des Scherzo durch das Trompetensolo zu sehr in das Opernhafte gerückt ist. Der letzte Satz, in schwerer Grübelei beginnend, führt bald zu einem rasch dahinsprudelnden Presto assai, welches mit theatralischer Schlagkraft die Symphonie zu einem wirkungsvollen Abschlusse führt. Die vortrefflich gespielte Symphonie hatte einen entschiedenen Erfolg beim Publicum, welches insbesondere den ersten und dritten Satz auf das wärmste applaudirte und den Componisten mehrfach hervorrief. (Dr.h.p.) [= Hans Paumgartner]