… unmittelbar wirkende Erfindung und warme Empfindung

Fünfzehntes Abonnement-Concert im Saale des Neuen Gewandhauses zu Leipzig.
Donnerstag, den 24. Januar 1889.

Die für Leipzig neue (und überhaupt noch nicht alte) zweite Symphonie von Goldmark, mit welcher das 15. Gewandhausconcert beschlossen wurde und welche, eben als Novität, in erster Reihe Berücksichtigung verdient, fand beim Publicum freundliche Entgegennahme. Auch uns speciell war sie zum großen Theil recht genehm, zuvörderst deswegen, weil uns in ihr das sonst bei Goldmark übliche Element des Ausspintisirten und Ausgeklügelten weniger vordringlich erschien, und dann, weil der Hauptaccent nicht gar zu vorwiegend auf dem bloß Interessanten, Pikanten und Pointirten liegt, sondern auch spontane, unmittelbar wirkende Erfindung und warme Empfindung zu Worte kommen. Am evidentesten war uns dies Alles beim ersten und letzten Satze, welche zugleich den Musiker Goldmark, d. h. den thematisch zu arbeiten und contrapunktlich zu combiniren Verstehenden, im besten Lichte zeigen, aber auch von dem Vorwurf unnöthiger, durch die Partien nach Abschluß der ersten Theile und vor Beginn der eigentlichen Durchführungen herbeigeführten Länge nicht freizusprechen sind. Behagt hat uns ferner der Hauptsatz des einen kobold- oder gnomenartigen Charakter tragenden Scherzo, mit dessen aus der Rolle fallendem und etwas banalem Trompeten-Trio wir uns aber nicht einverstanden zu erklären vermögen. Von dem Adagio fühlten wir uns nur stellenweise sympathisch berührt und konnten uns nicht verhehlen, daß in diesem Satz im Ganzen doch viel leeres Stroh gedroschen wird, und was endlich die Einleitung zum Finale betrifft, so müssen wir diesen abscheulich quintenhaft klingenden und überhaupt geschmacklosen Erguß durchaus perhorresciren.

Gespielt wurde die namentlich für die Blasinstrumente sehr heikle Symphonie durchweg vorzüglich, und es war ersichtlich, daß beim Einstudiren und Probiren große Sorgsamkeit und Hingebung obgewaltet hat.