Auf nach Budapest

Raoul Máder

* Das neueste Werk unseres berühmten Landsmannes Karl Goldmark, die große Oper »Götz von Berlichingen« wird bekanntlich zum ersten Male im Budapester königlich ungarischen Opernhause aufgeführt werden. In einigen Blättern hieß es nun, der »Götz« werde nur deshalb nicht im Wiener Opernhause zur Erstaufführung gelangen, weil die Leitung dieser Bühne mit der Aufführung zögerte. Die Unrichtigkeit dieser Behauptung erhellt am besten aus einem Schreiben Goldmark’s, das der Meister am 4. Juni l. J. aus Gmunden an den Direktor unserer Oper, Herrn Máder, gerichtet hat. Goldmark schreibt: »Lieber Herr Máder! Im letzten Herbst schrieben Sie mir um die erste Ausführung des »Götz«. Die Sache war damals noch nicht spruchreif. Mittlerweile ist das Stadium eingetreten, das heißt der Klavierauszug und Partitur gehen am 15. Juni in Druck. Ich wäre nicht abgeneigt, Ihren Wunsch zu erfüllen und die Premiere in Budapest zu machen, wenn Sie mir versprechen könnten, dieselbe innerhalb November herauszubringen. Die Gründe hiefür sind mannigfache. Zunächst einmal der Wunsch, einem mir oft gemachten Vorwurfe zu begegnen, eine Premiere einer meiner Opern in Budapest zu machen. Des Weiteren glaube ich auch bei Ihnen augenblicklich gute Besetzung zu finden. Sollten Sie mir das Versprechen für November nicht geben können, so würde die Erstaufführung in Dresden stattfinden, das auch diese verlangt hat. In vierzehn Tagen längstens erhalten Sie das Textbuch, Mitte Juli den Klavierauszug, Anfangs September Partitur u. s. w. Ihrer freundlichen Antwort entgegensehend, grüßt Sie sehr Ihr ergebener Karl Goldmark.« Der Inhalt dieses Schreibens beweist, daß die Budapester Aufführung des »Götz« sich in keinerlei Zusammenhang mit der in Wien geplanten befindet. Daß der »Götz« in Budapest zum ersten Male gegeben wird, ist einzig und allein das Verdienst des Direktors unseres Opernhauses Raoul Máder, der noch im Vorjahre mit Goldmark die bezüglichen Verhandlungen einleitete.
(Pester Lloyd vom 8. Oktober 1902)

Wer die Querelen um den Ritter mit der eisernen Hand bis hierher aufmerksam verfolgt hat, wird sich freilich an die ersten Pressestimmen des Jahres 1900 erinnern und denke sich sein Teil.

Auf dem Wege zur Budapester Premiere des Werkes ist zunächst noch eine weitere Irritation auszuräumen:

Pester Lloyd vom 4.11.1902

 

Das Dementi folgt auf dem Fuße:

• Mit Bezug auf das in unserem jüngsten Morgenblatte reproduzirte Telegramm, wonach Goldmarks neueste Oper »Götz von Berlichingen« zu allererst im Frankfurter Opernhause aufgeführt werden soll, werden wir von der Direktion des kön. ung. Opernhauses ersucht, zu erklären, daß diese Meldung unrichtig ist, da die erwähnte Novität im Sinne des von unserer Oper mit dem Komponisten geschlossenen Vertrages ihre Premiere noch vor der Frankfurter Ausführung im kön. ung. Opernhause in Budapest erleben wird, und zwar Ende November oder spätestens Anfangs Dezember d. J. Die erste deutsche Aufführung wird allerdings in Frankfurt stattfinden.
(Pester Lloyd vom 4. November 1902)

Es dauerte zwar ein paar Tage länger als prognostiziert, doch am 16. Dezember ging der ungarische Götz tatsächlich in Szene. Die Reaktionen vor Ort scheinen, wie stets, wenn der »Ungar« Carl Goldmark zugegen war, enthusiastischer Natur gewesen zu sein; die Berichterstatter hingegen – selbst die ausgesprochenen Apologeten des Meisters – vermochten leichte Zweifel am Sujet und seiner Realisation nicht völlig zu verbergen.

Neues Wiener Journal vom 17. Dezember 1902
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Pester Lloyd vom 17. Dezember 1902
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Neue Freie Presse vom 18. Dezember 1902
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Eine Woche später ist der Meister bereits wieder in Wien, wo er einem Mitarbeiter der Zeit vom eben gehabten Erfolg und aus seinem Leben erzählt. Die weihnachtliche »Homestory« erscheint am 25. Dezember, ergänzt manches, das wir schon aus zahlreichen frühe(re)n Portraits kennen, um Nuancen und Tagesthemen, kann sich aber auch den damals anscheinend obligatorischen Seitenhieb auf den »Götz-Verweigerer« Gustav Mahler nicht verkneifen.

Lange kann Goldmark freilich nicht in der Hauptstadt bleiben. Denn jetzt steht tatsächlich die deutsche Erstaufführung des Götz von Berlichingen auf dem Fahrplan, der eines Tages doch noch nach Wien führen wird: Frankfurt am Main will erobert sein … und es gelingt.