… zusammengehalten durch den vornehmen Grundton

Feuilleton.
»Götz von Berlichingen.«

Oper in 5 Akten. Musik von Karl Goldmark. Text von A. M. Willner. Erste Ausführung im königlichen Opernhause am 16. Dezember 1902.

Als uns Karl Goldmark vor drei Jahren auf den klassischen Boden des alten Hellas führte, in seiner »Briseïs« ein Stück homerischer Welt auf der Bühne lebendig machte, hätte wohl Niemand vermuthet, ihm bald darauf im mittelalterlichen Franken zu begegnen, wo er sich den tapferen Ritter Götz mit der eisernen Hand als Helden seiner neuesten Oper ausersah. Goldmark hat mit der Wahl seiner dramatischen Stoffe seit jeher der Welt eine besondere Ueberraschung bereitet. Nach dem farbenglühenden Orient seiner »Königin von Saba« finden wir ihn im »,Merlin« mitten in der Zauberromantik der Artussage. Dann der plötzliche Umschwung zum »Heimchen«, in die Dorfhütte mit ihren lieben, einfachen Menschen, darauf der ungeheure Sprung zur griechischen Antike mit ihrem erhabenen Faltenwurf, dem hochgeschwungenen Pathos, dem Zug ins Große, Strenge, Herbe. Gegen dieses steile Troja liegt Burg Jaxthausen, wo der wackere Ritter Götz haust, in zugänglicherem Gebiete, wo es für den Komponisten einen farbigeren Strauß zu binden gab, ein buntes Vielerlei sich darbot von kernigem Pathos, volksthümlichen Scenen, zarter und glühender Liebeslyrik, leidenschaftlichem Aufruhr und hochtragischen Vorgängen. Diese Mannigfaltigkeit der Stimmung, welche Goethe’s Schauspiel der musikalischen Illustration darbietet, mag Goldmark vor Allem zur Komposition veranlaßt haben, unbeschadet seiner begreiflichen Sympathie für den Titelhelden, der auch im Leben ein Held gewesen. Ob aber der in Musik gesetzte »Götz« auch ein kräftig gefügtes Drama geworden? Die Antwort gibt eigentlich das Titelblatt, welches die bescheidene wie vorsichtige Ueberschrift führt: »Szenen aus Götz von Berlichingen«. Für den Bearbeiter eines Operntextes war es kein leichtes Beginnen, den ungeheueren Stoff zu bewältigen, den Goethe hier zusammen getragen und dessen der Dichter selbst bei der Anpassung an die lebendige Bühne nicht ganz Herr geworden ist. Die Musik hat das natürliche Bedürfniß, sich auszubreiten, sie verlangt ihre lyrischen Ruhepunkte, ihre Retardationen, ihre Stimmungsmomente, bei denen sie verweilen muß, weil dies in ihrem innersten Wesen begründet ist. Die Handlung des Goethe’schen Schauspiels drängt in ruheloser Hast über Stock und Stein vorwärts.

Ein Stück in dramaturgischem Sinne ist ja auch der »Götz« nicht. Man weiß, wie diese schönste Blüthe aus Goethes Sturm und Drang entstanden ist, wie der junge Straßburger Student auf die Autobiographie des Ritters mit der eisernen Hand stieß, entzückt von der markigem treuherzigen Gestalt das Andenken des kühnen deutschen Kämpen in poetischer Form der Nachwelt zu retten beschloß. Während der Arbeit, über der er »,Sonne, Mond und die lieben Sterne« vergaß, wuchs ihm der Stoff unwillkürlich ins Breite, erweiterte sich zu einem Gesammtbilde damaliger deutscher Zeitgeschichte. Dem Dichter selbst kam bei der Niederschrift des »Götz« mit seinem halben Hundert szenischer Verwandlungen eine Bühnenausführung nicht in den Sinn – trotz des Shakespeare’schen Geistes, der über dem Ganzen schwebt. Das Problem, den »Götz« theatermöglich zu machen, den »,letzten deutschen Ritter« von der Bühne herab zum Volke sprechen zu lassen, hat Goethe oft und tief beschäftigt. Dreimal hat er ihn zu verschiedenen Zeiten umgearbeitet, Kürzungen ersonnen, feine Uebergänge angebracht, um den Bau schlanker zu formen, aber auch in den neuen Fassungen konnte der »Götz«, diese wundervolle dramatisirte Lebens- und Zeitgeschichte, den epischen Grundton, die episodistische Anlage nicht verleugnen. Die Fülle der Vorgänge sprengt die theatralische Hüllen. In Deutschland wurde sogar der »Götz« gelegentlich in zwei Abtheilungen an zwei Abenden gespielt. Verschiedene Theaterpraktiker haben seither an dem Stücke herumgebessert, es durch Verschiebungen, Umstellungen, Engerführungen den Ansprüchen der modernen Bühne näher zu bringen versucht. Für den Verfasser eines brauchbaren Operntextes ergaben sich also in diesem Falle gehäufte Schwierigkeiten. Er hatte ein dreifaches Problem zu lösen. Vor Allem den Szenenwechsel auf das allergeringste Maß herabzumindern, wenn er nicht dem Tondichter fortwährend ein »Halt« zurufen, seiner Musik bedenkliche asthmatische Beschwerden bereiten wollte. Der immer wieder in kurzen Absätzen niederrollende Vorhang würde einfach die Partitur in Partikel zerstückeln. Eine andere Aufgabe bestand darin, in dem soviel enger gezogenen Rahmen alles Gegenständliche zusammenzufassen, wobei aber – die dritte und wahrlich nicht die letzte Hauptbedingung – auch der Komponist zu seinem Rechte gelangt. Das ist dem Librettisten A. M. Willner im Großen und Ganzen gelungen, wenn er auch nicht aller Schwierigkeiten Herr geworden ist. Mit Benützung der Dingelstedt’schen Ausgabe hat er doch das Wesentliche herausgeschält und unter Beibehaltung der fünfaktigen Form auf neun »Bilder« vertheilt. So Manches mußte der räumlichen Oekonomie zum Opfer fallen, was als Lücke empfunden wird. So fehlt beispielsweise die Belagerung der Burg Jaxthausen durch die Reichstruppen, die heldenmüthige Gegenwehr Götzens und dazu die schöne Szene mit seiner Gattin Elisabeth, die treu bei ihm ausharrt. So fehlen später Verwundung und Gefangennahme des Helden, von denen im Textbuche nur kurz berichtet wird. Die anfangs hell beleuchtete Gestalt des Götz tritt dadurch in noch dunkleren Hintergrund, als im Original. Sie macht der schönen Intrigantin Adelheid Platz, die immer höher emporwächst, auch aus der wichtigen musikalischen Rücksicht, gegenüber dem Heldenbariton ein Gegenstück in einem dramatischen Sopran zu gewinnen. Goldmark zeichnet die ebenso anmuthstrahlende, wie ränkevolle Verführerin mit meisterhafter Charakteristik, wie der Dichter selbst, zumal in seinem ersten Entwurfe. In »Wahrheit und Dichtung« bekennt Goethe, wie er sich beim Niederschreiben allmälig in dieses reizende Gebilde seiner eigenen Phantasie verliebte und eine wundersame Leidenschaft ihn unbewußt fortriß. Mußte auch so manches wichtige Zwischenglied aus der langen Kette ausgeschieden werden, so hat doch der Librettist alles Entscheidende herausgegriffen, den Hauptgestalten die nöthigste Plastik und Farbe gewahrt. Die markige volksthümliche Sprache Goethe’s klingt bei der Uebertragung in Vers und Reim, von einigen Verfeinerungen abgesehen, vernehmlich durch und hat auch in der ungarischen Uebersetzung Alexander Varady’s ihr stattliches Aussehen. So manche urkräftige Rede wurde wörtlich übernommen und manche von Goethe eingestreute Strophe, wie des Knappen Franz Merkspruch oder Georg’s ironisches Vogellied, dieses freilich bei ganz anderem Anlasse.

Kálmán Alszeghy (Regie)

Der erste Akt zeigt ein Familienbild: Götz im Kreise der Seinen; die Werbung Adalbert Weislingen’s, seines Jugendgefährten, um die Hand Mariens; Götzens freudige Zustimmung; zum Schlusse der erste trübe Schatten: die Vorladung des Helden zum Heilbronner Rathsgericht wegen Friedensbruches. Götz erscheint im Rathssaale vor seinen gehässigen Richtern und soll Urfehde schwören. Er braust auf, die Richter hetzen das Volk auf ihn. Er schlägt die nächsten Angreifer grimmig zu Boden, das Getümmel wird immer bedrohlicher. Da dringt Ritter Sickingen mit seinen Mannen in den Saal und befreit den Freund. Die folgende Szene am bischöflichen Hofe zu Bamberg ist insofern freie Zuthat, als die Erzählung von dem Treubruche Weislingen’s an seiner Braut in Bühnenvorgang umgesetzt wurde, ausgeschmückt mit allerlei Schaugepränge. Adelheid zieht den Weislingen arglistig in ihre Netze und schon hat sie ihn bewogen, der Braut zu entsagen. Der prunkvolle Kirchengang des Paares, die Entrüstung Georg’s, des treuen Knappen Götzens, über den schändlichen Verrath bilden den effektvollen Abschluß des zweiten Aktes. Georg hat seinem Herrn die Kunde von dem Abfalle Weidlingen’s überbracht. Götz schäumt auf, er verzweifelt an Liebe und Freundschaft; aber die furchtbare Spannung löst sich allgemach in weiche, ergebungsvolle Resignation. Die zweite Abtheilung spielt am Hofe zu Augsburg. Adelheid ist Weislingen’s Gattin geworden, aber schon ist sie seiner überdrüssig, ringt um die Gunst des kaiserlichen Prinzen, den sie in phantastischem Kostüm beim Mummenschanz erobern will. Weislingen, der ihre Absicht erräth, will sie auf eines seiner Schlösser bringen. Da beschließt Adelheid, sich des Gatten für immer zu entledigen. Seinen Knappen Franz, der in rasender Leidenschaft an ihr hängt und ihr heimlicher Buhle geworden, bewegt sie, den Gatten durch Gift zu beseitigen. Im vierten Akte sehen wir Götz in den Bauernaufstand verwickelt. Das aufrührerische Volk wählt ihn zum Hauptmann. Vergebens setzt sich der treuherzige Held in flammender Rede für Kaiser und Ritterthum ein, vergebens sucht er die Aufwiegler zu besänftigen. Mit wildem Gejohle ziehen die Haufen gegen Götzens eigene Burg, während dieser mit seinen Reisigen davoneilt, um das in Brand gesteckte Schloß des Nachbarn zu retten. Der Schluß, in drei Abtheilungen, bringt zuerst die düstere Szene der Vehmboten, die Adelheid wegen Ehebruchs und Giftmordes zum Tode verurtheilen. Im folgenden Bilde wird das Urtheil vollzogen. Adelheid erwartet voll schwüler Sehnsucht ihren Buhlen Franz. Statt dessen naht der vermummte Vehmrichter. Vergebens sucht sich die schöne Verführerin vor der unheimlichen Gestalt zu retten, in gräßlicher Todesangst fleht sie um Gnade, aber der Vermummte wirft ihr die Schlinge um den Hals und erdrosselt sie. Die gespenstische Szene ist genau nach dem ersten Entwurfe Goethe’s, der sie später unterdrückte, wieder eingefügt worden. Sie wird auch so im Wiener Burgtheater gespielt. Das kurze Schlußbild zeigt, wie im Original, den zu Tode verwundeten Götz in dem kleinen Garten vor dem Gefängnisse. Ein poetisches Sterben mit dem letzten Rufe nach dem kostbaren Gute, um das der edle Ritter geststritten: »Freiheit, Freiheit!«

Teresz Krammer (»Adelheid«)

Die Musik des »Götz« gibt ein schönes Zeugniß von der erstaunlichen Arbeitslust und Produktionsfähigkeit ihres Komponisten. Niemand würde in ihr das patriarchalische Alter vermuthen, das Karl Goldmark bereits überschritten hat. Kaum ein Fältchen, kaum ein müder Zug, der an ehrwürdiges Greisenthum erinnern würde. Durch die Oper geht viel farbiges Leben, pocht ein kräftiger dramatischer Puls. Goldmark hat sich offenbar mit großer Begeisterung in das Goethesche Schauspiel versenkt. Die Musik des »Götz« mag an Frische und Reichthum der Erfindung gegen die früheren Werke des Meisters zurückstehen, übertrifft sie aber an Mannigfaltigkeit der Stimmungen und der musikalischen Elemente. Was wir in jeder seiner ersten drei Opern getrennt vorfinden, vereinigt sich hier zu einem interessanten Vielerlei,  zusammengehalten durch den vornehmen Grundton, der das Werk durchzieht. Ritterliche Romantik, wie im »Merlin«, heiße sinnliche Leidenschaft, wie in der »,Königin von Saba«, Volksthümliches, Liedmäßiges von der anmuthigen Form des Singspiels wie im »,Heimchen« wechseln hier ab. Und eine neue Farbe von effektvollem Düster tritt diesmal hinzu bei dem virtuosen Ausmalen der schauerlichen Vehmszenen. Die Musik des »Götz« ist mehr als in den anderen Opern Goldmark’s auf deutschen Ton eingestimmt, entsprechend dem Schauplatze und dem Titelhelden. Der Ritter mit der eisernen Hand führt eine kräftige Sprache. Der Götz ist durchaus Deklamationsrolle mit gelegentlichem Einbiegen in wohllautendes Arioso. Goldmark hat hier geschmackvoll das allzu hohe Pathos vermieden, wie es im »Merlin« passender angebracht war. Der populäre Volksheld mit seinem geraden, biederen Wesen, der frisch drauflos schlägt, wo es Freiheit und gutes Recht gilt, drechselt nicht seine Worte. So hat ihm auch der Komponist ein schlichteres Pathos zugemessen, einfachen kernigen Ausdruck. Dabei findet er für das trotzige Aufbrausen des Ritters so charakteristische Schärfe, wie für dessen gutes Herz die weichen, gemüthvollen Laute. Der Einfluß Wagner’s kann sich in der Prägung dieser Deklamation so wenig verleugnen, wie auch in anderen Partien der Oper, wo »Lohengrin«, »Tristan«, wohl auch die »Meistersinger« eingewirkt haben. Allein wie auch früher schon verschmelzen auch hier diese Wagner-Eindrücke mit der ganz besonderen Eigenart Goldmark’s. Auch der »Götz« ist richtiger, unverfälschter Goldmark und einzelne Anklänge an »Saba«, »Heimchen« oder »Briseïs«, die wie unwillkürlich da und dort auftauchen, bestätigen höchstens nur die Echtheit seiner Handschrift.

Ilonka Szoyer (»Georg«)

Als interessantes Gegenstück zu dem knorrigen Titelhelden erscheint die andere Hauptfigur, die schöne, gleißnerische Verführerin Adelheid. Die Liebesszenen insbesondere mit ihrem großen Crescendo von zarter Schwärmerei bis zu lodernder Gluth sind geradehin Prachtstücke erotischer Lyrik. Goldmark hat das mit erstaunlich jungem Herzen nachgefühlt und in hinreißende Töne umgesetzt. Und, kann man hinzufügen, die verklärende Wirkung der Musik dargethan, die auch die finsteren Leidenschaften dieser »Schlange« adelt. Geschickt wird das heitere, volksthümliche Element eingeflochten. Die grotesk-zierliche Musik in der Pagenszene, melodiöse Strophengesänge von populärer Fassung blitzen wie helle Glanzlichter in die immer tragischer sich zuspitzende Handlung. Farbiges Leben bringen dazwischen auch Ensembles und Chöre, letztere zumeist im Dienste dramatischer Steigerungen. Sie sind, selbstverständlich mit großer Meisterschaft behandelt, wie das Orchester, welches Goldmark auf gewohnter virtuoser Höhe zeigt. Nach dem idyllischen »Heimchen«, der strengen »Briseïs« zieht er hier wieder buntere Register, die zarten und die blendenden. Mehr als in den früheren Opern löst Goldmark sein Orchester in ein beweglich glitzerndes Mosaik auf mit rasch wechselnden Themen und Thementheilen. Es ist ein unablässiges Untermalen der Szene in zahllosen, gleichsam nur der Momentaufnahme dienenden Details. Einzelne Leitmotive klingen beziehungsvoll an, ohne sich übermäßig vorzudrängen. Götz hat sein ritterliches, kräftig und selbstbewußt daherschreitendes Thema. Noch eindringlicher wirkt das ungemein charakteristische, am häufigsten verwendete Verführungsmotiv Adelheid’s: eine eigenthümlich lockende, schlangenartig gewundene Triole, die plötzlich in die Oktave aufschießt.

Sie fehlt gerade in dem aus den anderen Hauptmotiven prächtig aufgebauten Vorspiel, das mit romantischem Dämmer einsetzend allmälig an Glanz gewinnt und mit einer brillant daherrauschenden Stretta schließt. Der erste Akt entwickelt sich ziemlich schwerfällig, bringt wohl auch zu viel umständliche Gespräche, welche die ohnehin dürftige Handlung zu lange aufhalten. Man vermerkt hier das schelmische, auf das Brautpaar gemünzte Liedchen Georg’s »Es fing ein Knab’ ein Vögelein« mit dem gesummten Refrain »Hm, hm!«, den Geigen und Flöten launig imitiren. Götz gedenkt der Jugendzeit in einem warmen Arioso und kräftig klingt sein Solo »Ich hab’ mich wacker eingesetzt«. Der Akt endet mit einem Oktett von zartem Wohlklang, der nur von dem scharfen Glanz des mitgehenden Orchesters gelegentlich verdeckt wird. In der Gerichtsszene interessirt der Chor der auf Götz eindringenden Handwerker durch seine kunstvolle Stimmführung. Ein anmuthiges Zwischenspiel leitet zum dritten Bilde hinüber. Dem koketten Getändel Adelheid’s folgt die Musik mit leichtbeflügelten Rhythmen. Ein populäres Stück von überaus flottem, echt deutschem Volkston, an Lortzings Art erinnernd, ist das Strophenlied des Knappen Franz. Geistvoll wird vom Orchester jede einzelne Strophe variirt. Der folgende Einzugsmarsch der Pagen ist von reizend komischer Grandezza, wie denn die ganze pantomimische Szene pikant illustrirt ist. Die Musik wirkt hier viel humoristischer, als der zu naiv gerathene Drill der Pagen durch den Zeremonienmeister. Matter verläuft die Begegnung Adelheid’s mit Weislingen. Es ist, als ob sich der Komponist für den wankelmüthigen Ritter nicht recht erwärmen könnte. Umso schöner führt er uns dann wieder Götz vor, der seinen Schmerz über Weislingen’s Treubruch in edler, tief empfundener Kantilene ausströmen läßt. Sie packt uns sicherer, als im folgenden Akte seine biedere Standrede an die aufrührerischen Bauern. Dagegen zeigen ihre trotzig-wilden Chöre mit dem wuthschnaubenden »Heissa! Mordio!« am Schlusse viel urwüchsige Kraft. Das große Duo Adelheid-Franz mit seinem Locken und Verlangen, der allmälig entfachten Gluth, die bis zu höchster Ekstase sich steigert, gehört zu den schönsten Partien der Oper. Es wird fast noch überboten von dem sehnsuchtzitternden, in reizvoller Melodik aufblühenden Gesang Adelheid’s, die im Schlafzimmer den Geliebten erwartet. Statt dessen naht der vermummte Vehmbote, um das Urtheil zu vollstrecken. Die gräßliche Todesangst, die schauerliche Erdrosselung Adelheid’s begleitet das Orchester wie Hilfe suchend mit entsetztem Aufkreischen. Gleichwie Goethes Schauspiel endet die Oper mit dem sanften Verscheiden des todwunden Helden. Flüsternd nimmt Götz Abschied von seiner treuen Elsbeth, während das Orchester in rührend milden Harmonien sein Sterben verklärt.

Die Oper fand eine sehr warme Aufnahme, ja der heutige Abend brachte dem anwesenden illustren Komponisten eine Reihe stürmischer Ovationen und herzlichster Sympathiekundgebungen. Schon nach dem mächtigen Orchester-Vorspiel erscholl minutenlanger Applaus, für den Goldmark aus der Direktionsloge dankte. Im Verlaufe des Abends wurde der Meister wohl mehr als zwanzig Mal hervorgerufen und erschien bald allein, bald mit den Darstellern, denen sich auch Direktor Máder und Oberregisseur Alßeghy anschlossen, auf der Bühne. Die Ausführung unter Máder’s Leitung zeigte sieh auf das sorgfältigste vorbereitet, die Ausstattung war geradezu glänzend und einer Bühne ersten Ranges würdig. Herr Takats sang und spielte den Titelhelden mit einfachem Adel, bieder, treuherzig, voll echter Wärme. Ergreifend führte er die Szene im Walde durch, da Götz die niederschmetternde Nachricht von dem Verrathe Weislingen’s erhält Er hat überhaupt in seinem Götz mehr den Gemüthsmenschen als den kühnen Kämpfen betont, aber auch in dieser lyrischeren Auffassung eine sehr sympathische Gestalt geschaffen. Frau Krammer stattete die Adelheid mit einem ganzen Arsenal weiblicher Verführungskünste aus. Kalt berechnend, verschlagen, arglistig bis ins Dämonische hat sie die Figur schauspielerisch in scharfen Umrissen hingestellt, aber auch im Gesange, namentlich im großen Duo mit Franz und in der Verzweiflungsszene des vierten Aktes wirksame Accente angeschlagen. Tüchtig hielt sich Herr Vochniczek als Franz, für den Ritter Weislingen setzte Herr Beck sein frisches, kräftiges Organ ein. Fräulein Szoyer war ein munterer Knappe Georg, auch noch munter in sehr ernsten Dingen ; für die Maria fand Frau Ambrus den schlichten, innigen Ausdruck. Chor und Orchester standen durchaus aus der Höhe ihrer Aufgabe. August Beer
(Pester Lloyd vom 17. Dezember 1902)