Götz ergötzt am Main

Nachdem sich das Mißverständnis aufgeklärt hat: daß nämlich die »erste Aufführung überhaupt« nicht in Frankfurt am Main, sondern in Budapest, die deutsche Premiere aber sehr wohl in der Mainmetropole stattfinden soll, steht dem weiteren Erfolg nichts mehr im Wege – desto weniger, als sich der Komponist offenbar sehr beeilt hat, die für nötig erachteten Revisionen zum Abschluß und die Partitur an die Stätte ihrer nächsten Inszenierung zu bringen.

Am 21. Januar 1903 berichtet man aus »Frankfurt a. M.: Karl Goldmark ist hier eingetroffen, um den Proben zur ersten deutschen Aufführung seiner Oper ›Scenen aus Götz von Berlichingen‹ beizuwohnen.« (Neue Freie Presse vom 21. Januar 1903)

Und die Beteiligung an den Probenarbeiten zahlte sich offensichtlich aus:

• Aus Frankfurt am Main wird uns berichtet: Die gestern im hiesigen Opernhause stattgehabte erste deutsche Aufführung von Karl Goldmark’s Scenen aus »Götz von Berlichingen« gestaltete sich zu einem wahren Triumph für den greisen Meister, dem besonders nach dem dritten und fünften Act des neuen Werkes lang andauernde Huldigungen bereitet wurden. Am stärksten wirkten die Adelheid-Scenen. An dem großen Erfolge des Abends hatte auch die treffliche Ausführung der Novität unter Leitung des Capellmeisters Dr. Kunwald ihren Antheil.
(Neue Freie Presse vom 3. Februar 1903)

• Frankfurt a. M., 2. Februar.
(Privat-Telegramm des »Neues Wiener Journal«.)
Goldmark’s Oper »Scenen aus Götz von Berlichingen« wurden gestern zum erstenmal in deutscher Sprache hier aufgeführt und erzielte einen vollen Erfolg. Besonders wirkungsvoll zeigten sich der dritte und der fünfte Act. Die treffliche Inscenirung und Darstellung kamen dem Werke sehr zu statten. Das Publicum rief den anwesenden Componisten wiederholt vor die Rampe.
(Neues Wiener Journal vom 3. Februar 1903)

Besonders aufmerksam und ausführlich registriert der Pester Lloyd vom 5. Februar 1903 das Ereignis am Main – verständlicherweise, denn schließlich ist es nicht nur eine Werbung für künftige Aufführungen an der Donau, sondern zugleich eine schöne Bestätigung für die Raoul Máder und alle, die den Weg des Ritters ins königlich-ungarische Opernhaus geebnet hatten.

In Linz an der Donau werden die Frankfurter Reaktionen aus gutem Grunde besonders sorgsam registriert. Die »zisleithanische« Premiere des Götz ist für den Herbst des nächsten Jahres (1904) geplant, und da kann man nicht früh genug die Werbetrommel rühren:

• Am Frankfurter Opernhause kamen anfangs Februar, und zwar zum erstenmale in Deutschland, Szene aus »Götz von Berlichingen« von Karl Goldmark zur Aufführung. Den Götz sang Herr Dr. Rudolf Pröll, der wohlbekannte Baritonist der Frankfurter Oper. Ueber seine Leistung als Götz lassen sich die Frankfurter Zeitungen wie folgt vernehmen: »Frankfurter Journal»: Scharf charakterisiert dünkte uns Ritter Götz, den Herr Dr. Pröll mit dramatischer Wucht und innerer Wärme auf die Bretter zu stellen wußte. – »Kleine Presse«: Herr Dr. Pröll bot einen möglichst temperamentvollen Götz von schöner, stattlicher Erscheinung; stimmlich liegt die Partie dem Künstler ganz vortrefflich. – »Frankfurter Zeitung«: Ausnehmen gut hat uns auch der Götz des Herrn Pröll gefallen. Das war ganz der brave, gerade deutsche Mann, wie ihn sich auch Goethe gedacht haben mag. – Ebenso lobend äußern sich noch andere Frankfurter Blätter.
(Linzer Tagespost vom 12. Februar 1903)

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Keine zwei Wochen nach diesem denkwürdigen Geschehen, am 15. Februar, hat auch das Neue Wiener Journal ein außergewöhnlich umfangreiches Portrait zu bieten. Ich gestatte mir, diese erhebliche Textmenge durch verschiedene Zeitungsausschnitte aufzulockern, die in den Wochen nach dem Frankfurter Siegeszug (vornehmlich in Wien) das Thema »Götz von Berlichingen« im Gespräch hielten.