Trio Parnassus mit Widor

Organist, Komponist, Autor, Kritiker, Lehrer – Charles-Marie Widor besaß viele Talente, und er war in seinem langen Leben mit allen äußerst erfolgreich. Seine Orgelwerke, nicht nur die großartig virtuose »Toccata« aus der 5. Sonate erfreuen sich nach wie vor größter Beliebtheit. Die herausragende Qualität seiner heute fast gänzlich unbekannten Kammermusik führt uns das entdeckungsfreudige Trio Parnassus mit seiner neuesten Einspielung vor Ohren.

Sein untrügliches Gespür für den Geschmack der Zeit öffnete dem jungen Widor die Türen der Pariser Salons. Schon das Klaviertrio, sein erstes veröffentlichtes Kammermusikwerk, lässt die Begeisterung des Gründerzeitpublikums heute nacherleben. Man höre nur einmal das träumerisch-liedhafte Andante con moto, oder das wild-virtuose Scherzo! Der rhapsodische Beginn zeugt bei aller Beachtung der Konvention von selbstbewusstem Personalstil und macht das fantasievolle Werk unverwechselbar.

Franz Liszt spielte in Paris, und Widor war natürlich dabei. Gierig sog er die ostrheinische Moderne auf und entdeckte die kleine Form und das Charakterstück. Die »Humoresque« aus den »Quatre Trios« hält, was der Name verspricht, und im »Nocturne« schmachtet das Cello, dass es das Herz zerreißt. Die späteren »Soirs d´Alsace« schlagen dann einen Bogen zurück in der Familiengeschichte, war doch Großpapa Widor bereits zur Ausbildung als Orgelbauer ins Elsass gezogen.

Immer wieder überrascht das Trio Parnassus mit unerwarteten Entdeckungen. Nach, Chausson, Godard und Boëllmann ist dies ein weiterer Ausflug in ein nahezu unbekanntes Frankreich, und die drei Vollblutmusiker verstehen es, uns mit kraftvoll-virtuosem Spiel weit abseits jeder Pauschalreise fantastische neue Horizonte »au goût français« zu eröffnen.

Charles-Marie Widor (1844-1937)
Quatre pièces en trio, Trio op. 19
Soirs d’Alsace
MDG 303 1794-2 (Vertrieb: Codæx)
VÖ: Februar 2013