Natürlich . Richtig : Anima eterna

»Ich habe vorgeschlagen, den Begriff ›authentisch‹ zu ersetzen durch strumenti evidenti. Um nichts anderes geht es ja.«  Also sprach Jos van Immerseel, als ich ihn vor neun Jahren – Kinder, wie die Zeit vergeht! – im Concertgebouw zu Brügge besuchte und ganz nebenbei eine äußerst inspirierte Beethoven-Probe miterleben konnte. Evidente Klanggeräte, wie sie die Zeitgenossen nicht nur der Alten Meister, sondern auch die jeweiligen Musiker und Orchester der klassischen, der früh-, hoch- und spätromantischen und früh-modernen Epochen in ihren jeweiligen Ländern gebrauchten: Diese einleuchtenden Instrumente, seien es Klaviere, Bläser, Streicher, Pauken oder sogar die passenden Autohupen in Gershwins American in Paris – sie haben ihre eigene(n) Geschichte(n) erlebt und waren unter den Händen eines Monsieur Lefèbvre oder an den Lippen eines Pane Pospychil womöglich selbst ein kleiner, lebendiger Teil der Musikgeschichte, der bei jeder »evidenten« Wiederbelebung der entsprechenden Stücke selbst wieder zum Leben erwacht. Unmerklich zwar und gewiß nicht meßbar, dennoch aber, wie ich mir einbilde, zu spüren wie im fröhlich-festlichen »Gepläster« der Trompeten, mit denen Leoš Janáček seine Sinfonietta ein- und ausleitet; in den kantig-markigen Einwürfen, der schlichten Melancholie und dem beinahe iberisch explodierenden Feuerwerk, mit dem uns dieses einzigartige Geschöpf des mährischen Meisters immer wieder infiziert. Hier – und mehr noch in Antonín Dvořáks »Reisebericht« – treten nicht allein individuelle Stimmen und die Charaktere der heutigen Spieler hervor:

Ob das 1. Horn sich im Kopfsatz der Neunten mit einem scheinbaren Füllsel ganz unaufdringlich zu melodischer Selbständigkeit erhebt  oder die Posaunen ihr welterschütterndes Finalthema stemmen, ob das Englischhorn an Hiawathas Wigwam träumt oder »das Triangl« sein silbriges Stäubchen auf das Scherzo streut – immer ist eine besondere Nuance im Spiel, die aus dem Innern zu kommen scheint, aus der Anima Eterna und der Zeitspur des jeweiligen Werkes. Damit will ich nicht sagen, daß an Dvořák und Janáček jetzt alles neu oder gar unbedingt originell wäre. Es ist vielmehr die Natürlichkeit, die natürliche Richtigkeit mehr als jedes Anders-Sein-Wollen, das diese Aufnahmen auszeichnet – und eben genau das, was mich schon vor neun Jahren an Jos van Immerseels Beethoven, Ravel und Liszt fasziniert hat und mich auch jetzt zu einer vorbehaltlosen Empfehlung veranlaßt.
hinterstich-1_kleinhinterstich-1_kleinhinterstich-1_klein