Musik von Molique: ein feines Mosaik

Einer von den ganz großen Komponisten war er nicht, der weithin gefeierte Violinvirtuose und recht angesehene Tondichter Bernhard Molique (1802-1869). Eher würde man ihm wohl gerecht, wenn man ihn – der immerhin ein Drittel seiner Lebensjahre als Königlicher Musikdirektor und Konzertmeister in Stuttgart verbrachte und von 1861 bis 1866 an der Royal Academy of Music in London unterrichtete – in die Kategorie der schöpferischen Biedermeier einordnete, denn seine Schöpfungen verbreiten eine sympathische Behaglichkeit, die auch dort, wo’s mal dramatisch zur Sache geht, immer ein wenig so wirkt, als könnte er je nach momentanem Belieben das dicke Buch der Tragödien zuklappen, sich von der lauschigen Bank unter der Linde erheben und stracks dem eigenen Heime zustreben, wo ihn das liebende Weib und eine muntere Kinderschar bereits erwartet.

Dabei ist Moliques Musik keineswegs fade oder gar blutarm, weshalb wir sie – anders als viele sogenannte »Entdeckungen« dritter Wahl – immer wieder gern und frohen Mutes goutieren, ohne von ihr mit jener Ergriffenheit oder Erleuchtung zu scheiden, die uns überfällt, wenn wir etwas von den »höchsten Dingen« erfahren haben. Auf äußerst angenehme Weise will hier einer nicht mehr als er sich zumutet, während er zugleich in Dingen des kompositorischen Handwerks beschlagen und mit allen geläufigen Wassern gewaschen ist.

Das neue Album, das die um den Stuttgarter Cellisten Michael Groß versammelte Parnassus Akademie im Anschluß an die bereits vom Trio Parnassus eingespielten Klaviertrios Nr. 1 B-dur op. 27 und Nr. 2 F-dur op. 52 jetzt herausgebracht hat, präsentiert verschiedene kammermusikalische Facetten des berühmten »Lokalmatadors«, die sich zu einem hübschen, wohlgeratenen Mosaik fügen. Ein einziges Mal, im Kopfsatz des Quintetts für Flöte, Violine, zwo Bratschen und ein Violoncell D-dur, hat sich der Urheber des klangschönen Werkes zu einer gewissen Weitschweifigkeit hinreißen lassen, die freilich durch die Qualität der Darstellung weitgehend abgefangen wird: Helen Dabringhaus, Julia Galić, Paul Pesthy, Betraum Jung und Michael Groß gelingt es, das Interesse an dem nahezu zwölfminütigen Allegro soweit aufrecht zu erhalten, daß wir den drei nachfolgenden, weit kompakter gefaßten Sätzen mit frischer, vergnügter Aufmerksamkeit zu folgen bereit sind.

Die verbleibende Dreiviertelstunde ist dann frei von allen Längen. Zunächst glänzen Helen Dabringhaus und die Pianistin Kerstin Mörk mit Introduction, Andante und Polonaise op. 43; dann tänzelt die – wieder vorzüglich aufgelegte – Flötistin im filigran-virtuosen Zusammenspiel mit der »Parnassus-Geigerin« Julia Galić durch das putzige Duo concertant aus den frühesten Jahren unseres Komponisten; und das posthum (1870) in Leipzig veröffentlichte Klavierquartett Es-dur op. 71 gibt den Ausführenden am Ende des vorzüglich organisierten Programms noch einmal die Möglichkeit, die Erztugenden des Komponisten Bernard Molique in einer gedrängten Gestalt vorzustellen: ein schöner Sinn für Melodik und ausgewogene Klanggestaltung, eine gekonnte, vor allem an Ludwig van Beethoven geschulte Durchführungsarbeit und ein Gespür fürs Wesentliche, das dem fein geschliffenen Juwel zu einem guten Platz im nicht gerade reich gesäten Repertoire für Klavier und Streichtrio sichern sollte. Verdient hätt‘ es der Tondichter allemal.

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