Bis nur Nacht am Himmel steht – oder: Until Nights Fall

Ein Nocturne von und mit Eva Barta

Eva Barta ist ein Mensch der Bühne. Die Szenen, die sie entwirft, leben aus der synästhetischen Betrachtung der musikalischen Entitäten, die sie spielt – oder besser spielen lässt: Da agieren beispielsweise zwei weiße Pianistenhände losgelöst von aller Körperlichkeit, indessen Arnold Schönbergs Lied von der Erwartung erklingt, und es entsteht eine schwarzweiße Kurzfilmgeschichte in dem wundersamen Reich zwischen Nacht und Traum. Oder sie verwandelt „Lady Anne Boswell’s Lament”, das Motto des Brahms’schen Intermezzos op. 117 Nr. 1, im Einklang mit der zugehörigen Musik in ein suggestives Nocturne, dessen ätherische Bilderwelt uns noch lange nach dem Ausklang des Geschehens in jenem Sinne verfolgt, für den die englische Sprache das unübersetzbare Wort „haunting” kennt … Man wird es so schnell nicht mehr los.

Eva Barta, Foto Anne de Wolff

Es sind dies keine ephemeren Ereignisse, sondern die Inhalte zweier phantasievoller Videos, die die Pianistin Eva Barta als „multimediale” Protagonistin gemeinsam mit dem Regisseur Christian Striboll verwirklicht hat. Diese beiden Kurzfilme wurden zum Ausgangspunkt des neuen Recitals, das die Ungarin, die als Dreijährige mit ihren Eltern aus Siebenbürgen nach Deutschland kam und in Hamburg daheim ist, nunmehr bei dem Label Genuin herausbringt: Wieder einmal war am Anfang die Szene, die sich nach und nach bevölkerte – ganz so, als träfen sich in „verklärter Nacht” verschiedene Gestalten, um sich über ihre Vorstellungen, individuellen Ansichten und Traumerlebnisse auszutauschen.

DAS PROGRAMM

Das Ergebnis ist ein großer Bogen, den die höchst sensible Pianistin bis zum allmählichen Morgengrauen durchwandert. Claude Debussys Clair de lune scheint über der Soirée dans Grenade, wo Frédéric Chopin seine Berceuse singt, und Béla Bartók entführt in die magischen Nächte Transsylvaniens. Die Erwartung Schönbergs, ein Vorecho auf sein berühmtes Monodram, hat sich die exzellente Liedbegleiterin zu einer atmosphärischen „chanson sans paroles” eingerichtet – wie auch Die stille Stadt aus den Liedern op. 50 von Jean Sibelius. Ein leiser, wesenloser Lufthauch: Alexander Skrjabins schwirrende Etüde op. 42 Nr. 3 – dann führen Sergej Rachmaninoff mit seinen Préludes in g- und cis-moll und die Intermezzi op. 117 von Johannes Brahms durch die finstersten Momente allmählich ins Licht zurück. Und irgendwo in der Ferne erklingt als Überbleibsel – ein unwiderstehlicher Tango von Kurt Weill. Lange nach der Sperr- und der Geisterstunde …

VITA

Eva Barta wurde als Kind ungarischer Eltern in Siebenbürgen (Rumänien) geboren und kam im Alter von drei Jahren nach Deutschland. Seit ihrem elften Lebensjahr hatte sie Unterricht bei Konrad Meister an der Musikhochschule Hannover. Dann war sie Schülerin von Evgenij Koroliov an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg. Während ihres Studiums bei Ilmo Ranta an der Sibelius-Akademie in Helsinki entdeckte sie ihre Liebe zum Lied, das heißt: zu jener Verbindung von Ton und Wort, aus denen in der Musik neue szenische Ebenen entstehen. Infolgedessen widmete sie sich der Liedgestaltung: zunächst bei Anne le Bozec und Hartmut Höll an der Hochschule für Musik Karlsruhe, dann wieder – bei Burkhard Kehring – an der Hamburger Hochschule für Musik und Theater, wo sie ihren Master in Liedgestaltung mit Bestnote abschloss.

MEISTERKURSE & AUSZEICHNUNGEN

Sie besuchte Meisterkurse von Helmut Deutsch, Julius Drake und Elly Ameling, Rudolf Jansen, Jorma Hyninnen, Ralf Gothoni, Axel Bauni und anderen, erhielt einen Lions-Musikpreis und einen Begleiter-Preis beim Maritim Gesangswettbewerb sowie beim Joseph Suder Liedwettbewerb. Zudem war sie Stipendiatin der Yehudi Menuhin Stiftung „Live-Music-Now”, der Hermann und Milena Ebel-Stiftung und des Richard-Wagner-Verbandes.

Seit ihrem Studium arbeitet Eva Barta regelmäßig mit Sängern zusammen, so begleitete sie den Tenor Daniel Behle in der Schönen Müllerin und gab diverse Liederabende in der Laeiszhalle, der Kunsthalle Hamburg und vielen anderen Konzertsälen.

Eva Barta, Foto Anne de Wolff
DIE BÜHNE

Eva Barta arbeitete am Thalia Theater und der Kammeroper Hamburg als Bühnenmusikerin, musikalische Leiterin und Pianistin. Gastspiele führten sie u.a. an das Grand Théâtre de la Ville de Luxembourg, zum Mannheimer Mozartsommer und an das Pantheon Theater Bonn. An der Hochschule für Musik und Theater Hamburg hat sie als Korrepetitorin gewirkt.

2021 und 2022 erhielt sie Stipendien des Landesmusikrats Hamburg und des Deutschen Musikrats, mit denen sie ihre künstlerischen Projekte verwirklichen konnte.

AKTUELLE KONZERTTERMINE

14.1.2024, 18 Uhr
Hamburg, Alte Druckerei Ottensen
Recital „Until Night Falls“
Weitere Informationen

10.2.2024, 18 Uhr
Hamburg, St. Petri Altona
Roses of Silence
Weitere Informationen

www.eva-barta.de

 

Fotos:
Eva Barta, Fotographin Anne de Wolff