Bekenntnisse eines engagierten Herrn

»Zu Mahler muß man sich bekennen, restlos bekennen!« Nach dieser einfachen Devise hat Klaus Tennstedt sein Publikum − und endlich auch viele Kritiker in seinen den Bann geschlagen. Wenn er sich mit seinem ungewöhnlich suggestiven Körpereinsatz über das Orchester beugte, hätte man zwar denken können, daß es ihm weniger auf die notierten Inhalte als vielmehr auf wirkungsvoll modellierte Auftritte angekommen wäre. Doch hinter der Fassade verbargen sich eine Partiturkenntnis und ein Verständnis für die tiefen Zusammenhänge, die sich eigentlich erst dann wirklich mitteil(t)en, wenn man nur hört(e), ohne sich von »szenischen« Äußerlichkeiten ablenken zu lassen.

Tennstedt hat Mahler nicht interpretiert, sondern realisiert. Er hat die Anweisungen befolgt und gut daran getan. Sowohl der Studio-Zyklus als auch die zweite, nicht mehr vollendete Live-Serie des London Philharmonic lebten aus der genauen Beachtung des Notentextes, die niemals akademisch oder schulmeisterlich wurde, sondern aus den Tiefen des Universums schöpfte. Wobei dann der Aspekt der Katharsis, das Tröstend-Versöhnliche selbst nach den fürchterlichsten Erschütterungen in diesen Aufnahmen immer seinen ganz natürlichen Stellenwert hatte. Tennstedts Mahler zieht hinan …

In diese Reihe fügen sich die beiden 1980 entstandenen Dokumente aus der Hamburger Laeiszhalle (Symphonie) und dem Kieler Schloß ein. Daß Brigitte Fassbaender die richtige Stimme für die Kindertotenlieder mitbrachte, bedarf keiner näheren Auseinandersetzung; daß das NDR Sinfonieorchester unter seinem damaligen Chef Klaus Tennstedt, von einer einzigen Hornstelle im zweiten Satz abgesehen, ebenso tadellos wie beherzt mitspielte, ist nicht zu verkennen. Den wegretuschierten Schlußapplaus nach der Symphonie werden wir uns freilich ergänzen müssen. Verdient war er allemal.

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