Re(d)aktion aus Linz: Neue Variationen über die Freie Presse

Goldmarks 70. Geburtstag.
Gmunden, 18. Mai.

Ein sonniger, angenehmer Maientag, der erste seit langer Zeit, grüßte heute Karl Goldmark an seinem 70. Geburtstage. Die reizvolle Stadt am grünen Traunsee, die schon stark für die Sommersaison rüstet, sah heute am frühen Morgen schon Festgäste aus Wien, die alle gekommen waren, um Meister Goldmark an seinem Jubeltage persönlich zu begrüßen. Der bescheidene Künstler, der sich vor Huldigungen aller Art, die ihm in Wien zugedacht waren, in sein stilles Gmundner Heim flüchtete, hat sich in Abbazia, von wo er erst vorgestern hier eintraf, glänzend erholt, er konnte jugendfrisch, die Bürde des Alters gar nicht spürend, allen Festtheilnehmern entgegentreten.

In officieller Eigenschaft hat die Gesellschaft der Musikfreunde in Wien ihren Archivar Dr. Eusebius Mandiczevsky und Herrn Victor Miller von Aichholz entsendet. Das Wiener Conservatorium war durch Professor I. M. Grün, der Wiener Tonkünstlerverein durch seinen Präsidenten Richard Heuberger vertreten. Das Festcomité, das sich in Wien schon vor Monaten constituiert hatte, um Goldmark eine besondere Ehrung zutheil werden zu lassen, hat außerdem noch den Componisten Ignaz Brühl [!] und den Hofmusikverleger Albert Gutmann entsendet.

Um 11 Uhr vormittags sprachen diese Herren, bei Goldmark vor und überbrachten ihm künstlerisch ausgeführte Adressen und eine vom Hofmodelleur Scharff in Gold geprägte Medaille als Geschenk seiner Freunde und Verehrer. Der eingeprägte Text lautet: »Karl Goldmark zu seinem 70. Geburtstage, 18. Mai 1900 von Freunden und Verehrern«. Meister Scharff hat mit diesem kleinen Kunstwerke die Zahl seiner Medaillen um ein sehr gelungenes Stück bereichert.

Im Namen der Gesellschaft der Musikfreunde hielt Herr Dr. Mandiczevsky eine Ansprache an Meister Goldmark und überreichte ihm eine Adresse, deren Titelblatt eine herrliche Arbeit des Professors Röver ist. Sie stellt die tragische Muse dar, Röver verwendete hiezu das Porträt der Tochter Goldmarks. Unterfertigt sind Freiherr von Besecny, Koch von Langentreu, Dr. von Billing und sämmtliche Directionsmitglieder.

Nunmehr trat Herr Victor von Miller vor, um im Namen des Festcomités mit warm empfundenen Worten die von Maler Beifuß wunderschön gemalte Widmungsurkunde zu der goldenen Medaille zu überreichen. Dieselbe enthält die Unterschrift von hervorragenden Persönlichkeiten aus allen Schichten der Gesellschaft und der Kunst. Die Inschrift ist von Heuberger verfaßt. Schließlich überreichte Heuberger eine Adresse des Tonkünstlervereines mit den Worten, dass sich der Verein durch die Ernennung Goldmarks zum Ehrenmitglieds selbst geehrt habe.

Nachdem noch Professor Grün die Glückwünsche des Conservatoriums ausgedrückt hatte, ergriff Goldmark, umgeben von seiner Tochter, seinem Schwiegersohne, dem Bildhauer Ernst Hegenbarth und seinem Neffen, dem Wiener Musikschriftsteller Ludwig Karbath [!], tiefbewegt das Wort zu folgendem:

»Meine verehrten Herren! Ich bin kein Redner. Ich kann Ihnen nur in einfachen Worten danken. Ich bin bis in die innersten Tiefen meiner Seele ergriffen, um so mehr, als Sie auch die weite Reise nicht gescheut haben, um mir etwas Gutes zu thun. Viel zu viel Ehre, die man mir jetzt anthut. Seien Sie versichert, ich werde so viel Liebe und Sympathie immer zu schätzen wissen; ich bitte Sie, allen meinen innigsten Dank zu überbringen.«

Bald nachdem sich diese Herren entfernt hatten, erschien eine Deputation der Stadtgemeinde Gmunden, geführt von ihrem Bürgermeister, kaiserl. Rath Doctor Wolfsgruber. Dieser führte aus, wie sehr die Stadt Gmunden sich geehrt fühle, dass ein so großer Meister nunmehr schon 30 Jahre in dieser Stadt einen Theil seines Lebens verbringe und von hier aus die Tonkunst mit gewaltigen Schöpfungen bereichere. Er begrüßte Goldmark auf das herzlichste und wünschte, dass er noch ungezählte Jahre hier wirken möge. Goldmark dankte tief gerührt und erwiderte, dass er ja sozusagen ein Gmundner sei, dass er sich hier wohl fühle wie nirgends in der Welt, Beweis dafür sei ja, dass er seit 30 Jabren hier lebe und arbeite.

Goldmark wurden selbstverständlicherweise aus aller Herren Länder Gratulationen ins Haus geschickt. Die Generalintendanz des Hoftheaters in Wien sendete ein von Freiherrn von Plappart gezeichnetes Glückwunschschreiben. Director Mahler telegraphierte als Vertreter der Wiener Hofoper und im Namen seiner Mitglieder.

Es gratulierten ferner die Philharmonische Gesellschaft in Wien, Herrenhausmitglied Julius R. von Gomperz und dessen Frau, Karoline Bettelheim, Baronin Sommaruga, Louise von Ehrenstein, Hofopernsängerin Sedlmayer, Bürgermeister Zöllner in Baden, Musikdirector Labitzky in Karlsbad, Doctor Anton Bettelheim, Hofconcertmeister Eduard Singer in Stuttgart, Professor Popper in Budapest, Professor Singer in Wien, Bronislav Hubermann, Componist Hugo Reinhold, die Witwe Johann Strauß’, Hofmedailleur Scharff, Kapellmeister Bayer, Kapellmeister Gehrike in Boston, die Kapellmeister Komzak und Zellner. Im Namen der königlichen Musikakademie in Budapest Ministerialrath Eduard von Mihalowitz, Sectionschef Freiherr von Doczy, Gustav Walter, Hofrath Hanslick aus Karlsbad, Herr Rudolf Hofmann als Vorstand des Singvereines der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien.

Im Laufe des Tages gelangte an Goldmark ein herrliches Porträt von Carmen Silva, der Königin von Rumänien, mit folgender Inschrift: »Glück auf. Treueste Wünsche zum 18. Mai 1900. Elisabeth.« Dem Bilde war auch noch ein eigenhändig geschriebenes Gedichtenbuch der Königin beigelegt.

Mit einer prachtvoll ausgeführten, außerordentlich stilvollen Adresse stellte sich die Wiener Cultusgemeinde ein. Ferner langte aus Budapest eine ebenfalls künstlerisch ausgeführte Adresse der dortigen National-Conservatoriums ein. Nachmittags halb 3 Uhr fand im Hotel »zum goldenen Schiff« ein Festessen statt, welchem alle aus Wien hieher gepilgerten Festgäste, ferner Bürgermeister Dr. Wolfsgruber, von Hebra, Oberforstrath Nekola, Dr. Mitterbacher, Claviervirtuos Heß beiwohnten. Markante Toaste wurden von den Herren Dr. Miller von Aichholz, Heuberger, Bürgermeister Wolfsgruber auf den Jubilar ausgebracht, welcher, auf das freudigste ergriffen, in beredten Worten danke.

Gmunden, 19. Mai. (Telegramm.) Gestern abends versammelten sich die Theilnehmer am Goldmark-Bankette in Victor von Millers Villa zu fröhlichem Thun. Zahlreiche Tischreden würzten das Mahl. Unaufhörlich laufen Geschenke und Gratulationen ein.