Max Bruch: Zwei Clavierstücke. Op. 14 (1863)
Recensionen.
Max Bruch, Zwei Clavierstücke. Op. 14. Leipzig,
Breitkopf und Härtet. Pr. 25 Ngr.
D. Wenn es eines Beweises bedurfte, dass der junge Componist dieser Stücke zu seinem schon in frühem Alter hervorgetretenen Talente durch emsige Studien sich Geschick und Sicherheit der Factur hinzuerworben habe, so könnte dieses Werkchen dafür auch Zeugniss geben. Aber das ist es auch nicht, was wir von seinen Arbeiten erwarten, und was der Componist von der Beurtheilung anerkannt sehen will; sondern die Frage muss nachgerade die sein, ob dieselben sich durch Neuheit und Selbständigkeit der Erfindung auszeichnen, und was und wie geartetes wir fernerhin von ihm hoffen dürfen. Und diese Frage aus den vorliegenden Clavierstücken zu beantworten ist, aufrichtig gesagt, nicht leicht. Für uns wenigstens war der Totaleindruck der, dass wir in denselben nicht fanden, was wir originell und vielversprechend nennen; auch vermissten wir, bei aller Feinheit der Arbeit und leichtem Flusse der Motive, vielfach die innerlich belebende Kraft, die im Gemüthe wurzelt, und es schien uns vieles mehr äusserlich gemacht und zusammengestellt. Der Componist hat, wie wir lesen und hören, grössere Werke unter Händen gehabt, und so, dachten wir, hat er daneben einmal gleichsam zur Erholung auch die kleinere Form wieder cultivirt, während seine Seele bei Grösserem war. – Das erste Stück (Romanze G-dur 6//8) bringt uns eine anmuthige, behaglich träumerische Melodie, die sich hübsch in ununterbrochenem Zuge fortspinnt und am Schlusse geschickt canonisch behandelt wird. Dann folgt ein belebterer Zwischensatz in Triolenbewegung, aus der sich melodische Figuren herausheben, die aber auch sonst schon gehört sind; die Bewegung steigert sich in vollen Akkorden, worauf zarte Figuren wieder zurück leiten. Das Zwischenstück ist ziemlich interesselos, auch hinsichtlich der Modulation, da wir kaum aus D-dur herauskommen. Es folgt die Wiederholung des Thema’s in der linken Hand, während die rechte kleine Figuren dazu übernimmt – in der bekannten äusserlichen Weise, die bei einer gewissen Classe von Claviercomponisten sehr beliebt ist. Hat uns nun dieses erste Stück wenigstens durch eine hübsche Melodie interessirt, so fällt dies bei dem folgenden (Phantasiestück 6//8, C-moll) auch noch weg, dem es, bei einem gewissen unruhig treibenden Leben, welches das Stück durchzieht, doch ganz an bestimmter Einheit, welche durch festgestaltete und gestaltende Motive erzeugt wird, fehlt. Auf einen zweimal wiederholten unruhigen Gang von 4 Takten, der nicht viel sagt, folgt mit einem Auftakte eine heftige Figur, und dann werden wir in vielen kurzen Rhythmen, theils mit Achtelbewegung, theils mit der anfänglichen Sechszehntelfigur, durch mancherlei Steigerungen hindurchgeführt bis zu einem langen Abschlusse auf C-moll. Dann setzt nach einem Uebergang in ruhigerer Bewegung in F-moll ein Zwischensatz ein, der eine ausgedehntere Melodie bringt, welche Mendelssohn’sche Anklänge enthält, sonst etwas inhaltleer ist. Im Verlauf tritt eine imitirende Bewegung ein, die ganz wohlklingend und interessant ist. Was uns aber auffällt, ist, dass der Componist in den Durchführungen und sonst sich in der Modulation nie recht frei und selbständig zeigt, dass er aus den anfänglichen Tonarten nur mit Mühe herauskommen kann, es sei denn zuweilen auf gewaltsame Weise. Nach jener Imitation wächst die Bewegung wieder (wir werden etwas an den Schumann’schen »Aufschwung« erinnert) und dann wird der Hauptsatz mit einer Steigerung am Schlusse wiederholt. Dies zweite Stück mag für den Componisten eine gute Studie gewesen sein, vor die Oeffentlichkeit gehört es nicht; in dem ersten wird man wenigstens in dem Hauptthema und in der ganzen Behandlung das schöne Talent des Componisten gern wiedererkennen.