15. Oktober 2017 bis 18. Februar 2018
im Clemens Sels Museum Neuss

 

Wichtig, bedeutend – oder mit hintergründigem Witz und dem Schalk im Nacken: So blicken uns die Menschenbilder entgegen, die jetzt im Clemens Sels Museum Neuss zu sehen sind. Zumindest die »Herren der Schöpfung«. In den Zügen des schöneren Geschlechts entdecken wir auch liebliche, selbstbewußte, mitunter einfach bezaubernde Nuancen. Eines aber haben sie alle: Charakter.

Rund 100 Porträts aus dem eigenen Bestand zeigt das Clemens Sels Museum Neuss unter dem Motto Wunsch und Wirklichkeit vom 15. Oktober 2017 bis zum 18. Februar 2018. Es sind Gemälde, Zeichnungen, Radierungen von Paul Cézanne, Henri de Toulouse-Lautrec, Franz von Stuck, Fernand Khnopff, Félix Vallotton, Marc Chagall oder anderen, die sich im 19. und 20. Jahrhundert mit einem technischen Umsturz konfrontiert sahen und demzufolge die Grundlagen ihres Schaffens neu konzipieren mußten: Louis Daguerre (1787-1851) entdeckte im Jahre 1839 die Mutter der Fotografie und setzte damit eine Entwicklung in Gang, die sich nicht mehr aufhalten ließ.

Die Gesellschaft war begeistert. Endlich mußte man nicht mehr stunden-, tage- oder gar wochenlang dem Maler »sitzen«, um ein treffendes Porträt zu erhalten. Obendrein war die Fotografie genauer, ein »realistischeres« Abbild der Realität – die sich freilich schon in den frühen Jahren schönen ließ: Die Studios hatten die passende Leihgarderobe, und mittels feiner, gewissermaßen chirurgischer Instrumente konnte man bereits das eine oder andere Fältchen glätten und mißliebige Gestalten aus Gruppenfotos eliminieren.

Die Künstler verloren viele ihrer lukrativen Auftragsarbeiten. Doch nicht allein deshalb war die moderne Technik in der Kunst verpönt: »Die Fotografie ist der Todfeind der Malerei, sie ist die Zuflucht aller gescheiterten Maler, der Unbegabten und der Faulen,« klang das schmetternde Verdikt aus dem Munde des Dichters Charles Baudelaire.

Und doch: Was nach vornhinaus gescholten ward, fand im Hintergrunde sehr wohl statt. Zwar mochte kaum einer der großen Künstler zu Lebzeiten einräumen, etwas für die Fotografie übrig zu haben oder gar mit ihr zu arbeiten; doch die Nachlässe brachten manch überraschendes Bild ans Licht: So fand man bei dem prominenten belgischen Maler Fernand Khnopff eine professionelle Fotoausrüstung, obwohl der doch in einem Interview seine Abneigung gegen das neue Medium erklärt hatte.

Henri de Toulouse-Lautrec hingegen experimentierte ganz offen mit der Fotografie und gestaltete viele Selbstporträts nach Vorlagen. Franz von Stuck pauste gar die Konturen von den Lichtbildern ab und übertrug sie auf die Leinwand, wie an einem schlagkräftigen Beispiel der Ausstellung Wunsch und Wirklichkeit nachzuvollziehen ist: Die Gemahlin und die Tochter erscheinen in »realer« Gestalt und in ihren idealisierten, verschönerten Varianten – und haben beide bedeutend an Ausdruck und Persönlichkeit gewonnen!

Es ist eine Schau, die zum Vergleichen einlädt, Momentaufnahmen und künstlerische Überhöhung einander gegenüberstellt. Es gibt Selbstbildnisse der Künstler und ihre Fotos, den Bereich der #VIPs, Musen & inspirierende Modelle mit den entsprechenden Ablichtungen, die Darstellung verschiedener Rollen – Ensor beispielsweise als »Märtyrer Christus« zwischen Kritiker und Freunden, Fernand Khnopffs Schwester als Weihepriesterin – und endlich die Freundschaftsbilder, die als Porträts unter Kollegen entstanden: Sie alle erzählen zwischen den Zeilen und Linien ihre Geschichten und fragen nach Wunsch und Wirklichkeit.

Eine inspirierende Ausstellung, die man keinesfalls versäumen sollte. Und wer dort ist, kann sich mit Selfiestick selbst à la Gabrielle Vallotton aufnehmen: Die Selfie-Ecke bietet einen entsprechenden Sessel und den gehörigen Bilderrahmen. Und dann heißt es: gleich mit Hashtag #clemensselsmuseumneuss hochladen, und schon wird man im Foyer zu einem Teil der Ausstellung. Die neuesten Techniken – Instagram, Snapshot und Facebook – machen es möglich: Und die Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit ist wieder einmal kleiner geworden.

CLEMENS SELS MUSEUM NEUSS
Am Obertor, 41460 Neuss

Öffnungszeiten:
Di–Sa 11–17 Uhr und So + Feiertag 11–18 Uhr.

TIPP: Jeden ersten Sonntag im Monat ist der Eintritt frei (gültig bis 31.12.2017)!

Weitere Informationen: www.clemens-sels-museum-neuss.de


 

Bildangaben:

Felix Vallotton, Gabrielle Vallotton en robe jaune – Gabrielle Vallotton im gelben Kleid, 1908, Öl auf Leinwand, Clemens Sels Museum Neuss

Vergleichsfoto: Gabrielle Vallotton, um 1911 © Fondation Félix Vallotton, Lausanne