Ungewöhnliche Saiten von Brahms

Auf eine wundersame Weise erläutern uns Christian Tetzlaff und Lars Vogt in ihrem Zusammenspiel, daß der Herbst, die melancholisch-schönste Zeit des Jahres, offenbar als eine Steigerung des Beiwortes »herb« entstanden ist. Man hat sich darauf verständigt, alle vordergründige Süßlichkeit zu beseitigen, klare Verhältnisse für eine sehr persönliche Kommunikation geschaffen und es tatsächlich fertig gebracht, über diese Bereinigung nach und nach in tiefere Regionen vorzustoßen, die uns zu gleichen Teilen etwas von den »Befindlichkeiten« der Spieler und vom fragilen Innenleben des widerborstigen Komponisten verraten.

Das ist den beiden Künstlern mit Brahms schon einmal gelungen – als sie nämlich im Zusammenspiel mit Tanja Tetzlaff, der Schwester des Geigers, eine ganz exquisite Wiedergabe der drei Klaviertrios ablieferten, über die ich an anderer Stelle ausführlicher zu schwärmen Gelegenheit hatte. Mehr noch als dort sind wir bei Anhörung der Duo-Sonaten gehalten, uns nicht von erstmaligen Überraschungen irritieren zu lassen. Mit jedem neuen Durchgang wächst die Sympathie, und schließlich genügen die ersten Töne der »Regensonate«, um die der Musik einbeschriebene Sehnsucht des Verfassers und seiner Interpreten nach einer herbstzeitlosen Schönheit aufzuschließen. Dabei kommen weder die dramatischen Impulse, die koketten Gesten und die nostalgischen Blicke zu kurz: Doch das »schaut her, wie ich leide!« ist dahin, und auch von den Vorwürfen an irgendwelche fernen Geliebten, für die die Botschaften zweifellos in erster Instanz gedacht waren, ist nichts mehr zu spüren.
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