Die Neue Freie Presse feiert seitenlang mit (II)

Die Goldmark-Feier.
(Orig.-Corr. Der »Neuen Freien Presse.«)

Gmunden, 18. Mai.

Um ½ 3 Uhr nahm das Bankett zu Ehren Goldmark’s im »Hotel Schiff« seinen Anfang. Die Tischkarte zeigt Meister Goldmark am Fenster seines Arbeitszimmers, eine wohlgelungene Amateurarbeit des Dr. Victor Miller v. Aichholz. Das Bildniß des Meisters wird von kleinen Engelsgestalten umschwebt, die auf Spruchbändern Stellen der gewaltigst wirkenden Sätze aus des Meisters Compositionen halten, die von Dr. Mandyczewski ausgewählt nnd zusammengestellt worden sind. Dem Bankette wohnten nebst dem Jubilar seine Tochter, sein Schwiegersohn und sein Neffe, sowie die Gäste aus Wien bei. Als erster Tischredner erhob sich Victor Miller v. Aichholz, der erklärte, kein Mandat zu haben, Goldmark als Künstler zu feiern. Er beschränke sich darauf, Goldmark’s Eigenschaften als Mensch hervorzuheben. Er schilderte in beredten Worten Goldmark’s liebenswürdiges, bescheidenes Wesen und seine Art, Freund und Mitmenschen zu sein.

Das goldene Schiff 2013 (Foto: Bwag)

Dann führte Bürgermeister Dr. Wolfsgruber aus, daß die Stadt Gmunden stolz darauf sei, daß Goldmark gerade diesen Ort als Aufenthaltsort seit 30 Jahren sich ausgewählt hat. Aus diese Weise sei Gmunden eine Auszeichnung ohnegleichen theilhaftig geworden. Der Redner schloß seine begeisterten Worte mit dem Satze: »Wir Gmundener feiern in Goldmark nicht allein den Schöpfer gewaltiger Kunstwerke, sondern auch einen großen geliebten Mitbürger, der uns Gmundenern hoffentlich noch eine lange Reihe von Jahren in geistiger und körperlicher Frische erhalten bleibt.«

Richard Heuberger brachte nun folgenden Toast aus:

Nachdem Goldmark als Mensch und als Gmundener gefeiert wurde, möchte ich einige Worte über den Musiker Goldmark reden. Denn er ist ja eigentlich Musiker. (Lebhafte Heiterkeit) Das ist schwer und leicht. Schwer, weil man nichts Neues über ihn sagen kann – leicht, weil man der Zustimmnng aller Welt sicher sein kann. Wer volksthümliche Klänge liebt, wird in der »Ländlichen Hochzeit« und den Symphonien [!] und Ouvertüren so Manches finden, was Goldmark in Gmunden in Oberösterreich aufgesaugt. Zarte Damen begnügen sich an der »Quelle« zu sitzen und ihr »Herzeleid« in i» Goldmark’schen Tönen auszusingen. Häuslich Beglückte, junge Eheleute hören mit Vorliebe das »Heimchen am Herd«, in dem Goldmark seine heimlichsten, traulichsten Töne zum Klingen gebracht. Für Anspruchsvollere hat er ganz besonders gesorgt. Er schuf für sie eine ganze Nobelgalerie heroischer und, mythischer Gestalten, angefangen von Fräulein Penthesilea und Sakuntala bis zu den trojanischen Helden, dem Ritter von Merlin and der Frau Semiramis der »Königin von Saba«.

Sie sehen, Goldmark hat sich gern in exclusiver, vornehmer Gesellschaft bewegt. Unter den Erscheinungen dieser Gesellschaft hat besagte Königin von Saba am einschneidendsten in Goldmark’s Leben eingegriffen. Gott sei Dank in freundlicherer Weise als in jenes des verliebten jungen Assad. Als Goldmark ihr mit seiner »Suite« entgegenkam, neigte sie sich ihm huldvoll und blieb ihm dafür, daß er sie aus trockenem Buchdasein ins helle Leben erweckt, dankbar bis zum heutigen Tage. Ueberblickt man das ganze Lebenswerk Goldmark’s, betreffe es tragische oder bürgerliche Stoffe, so muß man sagen, all sein Schaffen war ein originelles. Er hat eine eigene Weise, einen eigenen Ton für sich allein. Wie Haydn einst sagte, er habe in Esterhaz ein Original werden müssen, so ist Goldmark in Keszthely, Wien und Pest ein Original geworden. Daß er vielfach Autodidakt war, hatte bei allen Gefahren seine Vortheile.

Der Mann mit dem goldenen Herzen hat sich mit eiserner Faust den Weg gebahnt durch das Gestrüppe des Lebens zu den Höhen der Kunst, und lange noch ist er nicht am Ende. Erst jetzt hat er nach einem Helden des deutschen Volksthums gegriffen und will ihm frisches, neues Leben einhauchen. Manch kräftiges Wörtlein hat er noch zu sagen. Ich trinke auf das Gedeihen des Götz von Berlichingen, des Ritters mit der eisernen Hand. (Stürmischer Beifall.)

Goldmark selbst ergriff öfters das Wort, um immer wieder seinem Dank Ausdruck zu verleihen, der sich, wie er sagte, vielleicht in seiner nächsten Oper ausdrücken wird, wenn dies überhaupt möglich ist.

Professor Grün würdigte den Jubilar als Geiger, der er ja ursprünglich war. In einem zweiten Toaste begrüßte Grün Goldmark als Landsmann, als Ungar, und dieser zweite Toast Grün’s rührte Goldmark zu Thränen. Außerordentlich bewegt führte Goldmark aus, daß sein Wirken und Schaffen wol auf österreichischem Boden vor sich gehe, daß sein künstlerisches Werden deutsch sei, daß ihm Wien und Gmunden eine zweite Heimat geworden seien, daß er aber ungeachtet dessen nur mit Rührung der heimatlichen Scholle zu gedenken vermöge; wenngleich er auch als Kind Ungarn verlassen habe, so zittern in ihm doch alle ersten Eindrücke nach, die sich in künstlerische Eindrücke umwertheten. Das Gefühl der Dankbarkeit fasse ihn an für seine ungarische Heimat, der er immer ein ergebener Sohn war, was er auch in alle Ewigkeit zu bleiben gedenke. Er schließt deßhalb mit einem begeisterten Eljen. In einem späteren Toaste feierte Goldmark seinen Freund Heuberger, den hervorragenden Componisten, welcher der Welt schon so viel Schönes mitgetheilt und noch viel Schönes erzählen wird.

Heuberger knüpft seine Antwort an ein schönes Wort Brahms‘, daß die wahre Unsterblichkeit des Menschen in der Nachkommenschaft beruht. Brahms selbst war freilich kinderlos. Heuberger trinkt deßhalb auf das Wohl der Enkelkinder Goldmark’s.

Ignaz Brüll läßt die einzige anwesende Dame, Frau Hegenbart, die Tochter des Jubilars, hochleben. Bis in die späten Nachmittagsstunden blieb die Festgesellschaft in animirtester Stimmung beisammen. Der Abend versammelt sie aufs neue in der gastlichen Villa des Herrn Miller v. Aichholz zu einem neuen Feste. Bis heute Nachmittags sind Hunderte und aber Hunderte von Glückwünschen eingelaufen.

Minister-Präsident Dr. v. Koerber sendete folgendes Telegramm: »Dem berühmten Oesterreicher meine herzlichsten Glückwünsche.«

Der Unterrichtsminister Dr. Ritter v. Hariel telegraphirte: »Zu Ihrem 70. Geburtstage sende ich Ihnen die herzlichsten Glückwünsche. Mögen Sie uns noch lange lange in gleicher Frische erhalten bleiben.« Redacteur Karpath überreichte ein Ehrendiplom der Budapester Philharmonischen Gesellschaft. dem Welt- und Herzeroberer, dem herrlichen und vortrefflichen Freunde die herzlichsten Glückwünsche zum heutigen Tage.«

Weitere Glückwunsch-Telegramme sendeten die Gemeindevertretung von Keszthely, dem Geburtsorte Goldmark’s: die königliche Musik-Akademie in Budapest, Erich und Helene Hornbostel, Redacteur Max Falk, Professor Zeisel und Frau, Concertmeister Prill, Arthur und Amalie Nikisch, Alfred und Heinrich Grünfeld, Alexander Rosé Joseph Sulzer, Director Schlenther, die Redacteure der »Neuen Freien Presse« Dr. Wilhelm Goldbaum und Sigmund Singer, der Gesangverein der Budapester Telegraphen-Beamten. Frau Antome Link-Dessauer, Bürgermeister Zöllner in Baden. Graf und Gräfin Prokesch-Osten, Graf Wolff-Metternich, Professor Oser, Familie Billroth, Ludwig Barnay, Componist Dr. Kienzl, Hans und Emma Temple , Director Löwe in Breslau, Theodor Leschetizky, Julie Kopacsi, die drei Librettisten Goldmark’s: Pfarrer Formey, Regierungsrath Lipiner und Dr. Willner, Moriz v. Kaiserfeld, das Sologesangs-Chorpersonal der Hofoper, der Franz Liszt-Verein in Budapest, Olga v. Türk-Rohn, Justine Mahler, Dr. Friedjung, Marie v. Ditl, Architekt Marmorek, Alfred Strasser, Musikverleger Sigl in Leipzig, Concertdirector Wolff in Berlin, die Directoren des Hamburger Stadttheaters Bittong und Bachner, Julie v. Asten in Berlin, die Sänger und Sängerinnen der Wiener Hofoper, die Sängerinnen Abranyi und Szilagi, die Professoren Gänsbacher, Door und R. Epstein, Robert Fischhof, Winternitz und Bachrich, Capellmeister Rottenberg in Frankfurt, Professor Proßnitz, Regierungsrath Baumfeld, Frau Bricht-Pyllemann, Gebrüder Willy und Louis Thern, Professor Singer in Wien, Dr. Anton Bettelheim, P. Gotthart, H. Dunkel, Lili Lejo, Frau Basch-Mahler, Dr. Berggruen in Paris, Redacteur Siegfried Löwy, Professor Guido Adler und Ilona Eibenschütz.

Der Jubilar befindet sich in glücklichster Stimmung und sagt, seit dem Erfolge der »Königin von Saba« sei heute der glücklichste Tag seines Lebens.

(Neue Freie Presse vom 19. Mai 1900, S. 24/25)