19. März bis 28. Mai 2017
Clemens Sels Museum Neuss

 

»Was soll das denn darstellen?« Diese elterliche Frage, gelegentlich versehen mit dem Nachsatz »wenn’s fertig ist«, hat im Laufe der Zeiten unzählige schöpferische Tätigkeiten und Karrieren beendet, ehe sie auch nur im Ansatz hätten beginnen können. Die Kluft zwischen dem, was der erwachsene homo sapiens communis als Realität zu akzeptieren bereit ist und dem, was die kindliche Fantasie oder EinBildungskraft aus  den sichtbaren Dingen der Welt zu gestalten vermag – diese Kluft ist in den überwiegenden Fällen deswegen so unüberbrückbar, weil mit den Jahren die Naivität verloren und in eine Akzeptanz des »Tatsächlichen« übergeht. In dem Maße, wie das geschieht, steigt das Verlangen nach »Erklärungen«, nach äußeren Beschreibungen und nach Handbüchern, die dem Betrachter auseinandersetzen, was von dem, was wir sehen und hören, zu halten sei.

Mitunter geschieht es freilich, dass sich ein Menschenkind die Ursprünglichkeit bewahrt, um sie in einem unerwarteten Augenblick zu aktivieren und mit elementarer Wucht zu entfalten. Zwei solcher kreativen Glücksfälle präsentiert das Clemens Sels Museum Neuss vom 19. März bis zum 28. Mai 2017 in der neuen Ausstellung Selbst ist der Mann!, die zwei deutschen »Naiven« gewidmet ist: dem Bildhauer Erich Bödeker und dem Maler Josef Wittlich.

Über den gängigen Terminus »naiv« lässt sich generell viel Kontroverses sagen, ohne dass die intellektuellen Debatten je an ein befriedigendes Ende kämen – was in der Natur des diskutierten Gegenstands begründet liegt. Naivität besteht ja eben darin, zu sagen oder zu zeigen, was man sieht, das Staunen über die Welt ohne nennenswerte Reflexionen und Verdikte (»darf ich das überhaupt?«) in kreative Taten umzusetzen und sich an Gestaltungen zu freuen, die allein dem Schaffenden genügen sollen. Zwar könnte man sich vorstellen, dass Erich Bödeker, der nach gut vier Jahrzehnten »auf Zeche« wegen der typischen Bergmannskrankheit (»Staublunge«) in Rente geschickt wurde, seine unverwechselbaren Tier- und Menschenfiguren geschaffen hätte, weil ihm der internationale künstlerische Trend der sechziger Jahre bewusst gewesen wäre – doch das wäre ebenso verfehlt wie die These, der ein Jahr ältere Josef Wittlich habe mit seinen nicht minder individuellen Malereien die amerikanische Pop-Art vorbereiten wollen.

Weder Bödecker noch Wittlich haben sich ihre Kunst »genehmigen« lassen. Sie haben – und das ist die wichtigste Gemeinsamkeit der beiden Zeitgenossen – genau das getan, was in ihrer Welt das Richtige war: Der eine »baute«, was er sah, in Holz und Beton, und bemalte hernach seine Gestalten; der andere übersetzte Bilder und Fotografien, die ihm vor Augen kamen, in seine strahlend bunten, wahrhaft PLAKAtiven Tableaux. Der ehemalige Kumpel aus Recklinghausen bevölkerte seinen Garten mit unzähligen Figuren – vom eigenwilligen Gartenzwerg bis zur würdevollen »Königsfamilie«. Der langjährige Arbeiter des Keramikwerkes Steuler in Höhr‑Grenzhausen befestigte seine dekorativen Landschaften, Städteansichten und Portraits an allen freien Flächen, die ihm in der Firma zur Verfügung standen – und er dürfte nicht schlecht gestaunt haben, als er eines Tages von seinem »Kollegen«  Fred Stelzig entdeckt wurde: Der »Profi« aus Besigheim am Neckar sieht, was Wittlich sieht, und sorgt sogleich dafür, dass auch andere sehen. Zu diesem Zeitpunkt (1967) hat Erich Bödeker bereits die Darmstädter Mathildenhöhe und ihr malerisches Museum genommen.

Zahlreiche Leihgaben aus öffentlichen und privaten Sammlungen ergänzen den hauseigenen Bestand an Werken der beiden Künstler.

CLEMENS SELS MUSEUM NEUSS
Am Obertor, 41460 Neuss

Öffnungszeiten: Di–Sa 11–17 Uhr und So + Feiertag  11–18 Uhr.

TIPP:  Jeden ersten Sonntag im Monat ist der Eintritt frei!

Weitere Informationen: www.clemens-sels-museum-neuss.de