Das Werk ist thatsächlich unerquicklich …


vom 9. März 1870
(Wien)

 
Das Philharmonische Concert (am 13. Februar) machte Wien mit einer Ouverture von Hector Berlioz zu »Benvenuto Cellini« bekannt; das Werk stammt aus den dreissiger Jahren, für Wien war es neu. Welcher Genius in diesem Produkt! welch’ Vorflug der neuen Richtung und welche Pracht und Originalität in der Instrumentation! Sonderbarer Weise fanden sich bei dieser Aufführung Leute, welche ihren tragikomischen Protest gegen die Richtung einlegten. Es gab ein langes Geplänkel nach Für und Wieder und endigte damit, dass man die Schreier sich erschöpfen liess. Ueber Berlioz jetzt erst in’s Gefecht gehen, wäre etwas zu spät. Der Verklärte gehört zu den Unsterblichen. Aeusserst missliebig und allgemein war leider die Aufnahme einer neuen und hier bisher nicht gehörten Symphonie von Max Bruch, einem sonst so begabten, aber in der tollen Sucht nach Originalität wahrhaft ausschweifenden jüngeren Meister, der vor mehren Jahren mit der Oper »Loreley« viel von sich reden machte, während aber die Oper dermal ganz vom Schauplatz verschwunden. Bei dem verdammenden Urtheil, das die Bruch’sche Symphonie traf, wirkten keine fatalen zufälligen Nebenumstände mit. Das Werk ist thatsächlich unerquicklich, nimmt die Backen mächtig voll, um hinterdrein uns nichts zu sagen; da nimmt es einen krampfhaften originellen (?) Anlauf mit verzwickten Harmonieen und mit Einem klingt ein Sommernachtstraumfragment, hier Mendelssohn, dort Meyerbeer, bis zum Maestro Verdi! Es ist so viel Absicht in der Symphonie und so wenig natürliches Leben, dass wir in diesem speciellen Falle dem Urtel beistimmen, dass jedem der einzelnen Sätze missliebige Zeichen folgen liess. Auch macht die Anreihung von vier, durchaus nicht in einander gedachter oder verwandschaftlicher Stücke keine Symphonie aus.