Der Erfolg des Werkes war ein über Erwarten günstiger …

vom 7. Mai 1869
(Prag)

 

[Das Orchester des Instituts wirkte mit dem Virtuosen (NB: dem Harfenisten Charles Oberthür) in dessen »Concertino« mit ausgezeichneter Tüchtigkeit zusammen, und den jungen Künstlern wie ihrem Dirigenten macht dies um so mehr Ehre, da besonders im Eingangssatze der Gast sich vor dem fremden Publicum etwas befangen zu fühlen schien, und es nichts Leichtes sein mochte, den Orchesterkörper mit dem sehr freien Vortrage des Concertisten in festem Rapport zu erhalten.] Das Bewundernswertheste leisteten die jungen Leute aber in der Symphonie von Max Bruch, die den ersten Theil des Abends bildete. Der Erfolg des Werkes war ein über Erwarten günstiger und das stürmische da capo-Verlangen nach dem Scherzo wiegt bezeichnend bei einem Publicum, das nach der gelinde abgelehnten Oper »Loreley« desselben Komponisten keine Ursache hatte, sich seiner neuen Komposition sanguinisch voreingenommen gegenüberzustellen. Allerdings sind Wagner’sche Einflüsse unverkennbar und am Wenigsten ist der genialste Satz der Symphonie, das Scherzo, – wir erinnern nur an die direct aus »Lohcngrin« stammende Triolen-Begleitungsfigur der Bläser im ersten Motiv – frei von Mahnungen daran; aber der kühne, fortreißend rasche Puls des ersten Motivs, der in mächtigen Gegensatz dazu gebrachte Gedanke des Trio’s mit dem markigen Einzelschlage, der die Abschnitte bezeichnet, das geniale Zusammenfassen beider Motive gegen den Schluß hin, dessen scharfer Wechsel von Dur und Moll, so sonderbar er Manchen berühren mag, doch noch immer den besseren Eindruck des kühn Gewagten, als den des mühsam Gesuchten macht, von dem sich neuere Autoren häufig nicht freihalten können: alles das ist von überwiegend günstiger Wirkung; und wenn etwas dem ganz und gar originellen Zuge dieses Satzes einigen Eintrag zu thun geeignet ist, wäre es etwa das zweite Motiv mit seinem gar zu Mendelssohn’schen Anstrich. Im Allgemeinen macht die Symphonie mit Ausnahme gewisser Partien des ersten Satzes trotz ihres leidenschaftlichen Zuges und ihrer drängenden Ideen der thematischcn Uebersichtlichkeit der klaren Gliederung größere Concessionen, als man solchen heutzutage zu begegnen gewohnt ist. Damit ist aber die Bemerkung nicht ausgeschlossen, daß Bruch dem Orchester das Außerordentlichste zumuthet und namentlich das Scherzo, dessen Wirkung auf dem Wagniß des denkbar raschesten Tempo beruht, von enormer Schwierigkeit ist. Die Conservatoristen leisteten in dem Feuer, mit dem sie an die Sache gingen, und in der dennoch tadellos genauen und nicht der leisesten Schwankung unterworfenen Ausführung des ganzen Werkes wahrhaft Bewunderungswürdiges; und was das entgegenkommende Verständniß der Auffassung und die gewiegte Sicherheit der Leitung betrifft, hätte der Komponist selbst für sein Werk unmöglich Mehr oder Besseres thun können, als Director Krejci, der auf dieses durch ihn und die ihm anvertrauten jungen Musiker glänzend zum Siege geführte Werk mit doppeltem Stolze blicken darf.