… in seiner ersten Hälfte verhältnißmäßig am Bedeutendsten

vom 30. Oktober 1868
(Leipzig)

 

Das Orchester führte Beethoven’s große Leonorenouverture und eine neue Symphonie von Max Bruch (Esdur, Op. 28) auf. Auch dieses Werk erhebt sich gleich anderen dieses Autors in seiner ersten Hälfte verhältnißmäßig am Bedeutendsten. Das erste Allegro maestoso namentlich wird ganz vortheilhaft von einem ziemlich bedeutungvoll prägnanten Hauptgedanken getragen. Denselben [!] tritt sodann ein etwas schlichtes aber gut contrastirendes elegisch klagendes zweites Thema gegenüber, welches später in wirkungsvoll gewandter und contrapunctischer Combination mit dem ersten vereinigt wird. Ferner zeichnet den ersten, später leidenschaftlicher sich ergießenden Satz ziemliche Gedrungenheit der Form aus. Das demselben folgende Scherzo ruft die Elementargeister mit dem ganzen Apparat Mendelssohn’schen Elfenspuks herbei, strömt voll drastischer Färbung in leidenschaftlich wildem Schwunge dahin und in ein ziemlich burleskes Trio hinüber. Der ganze Satz ist im Allgemeinen mehr auf äußeren Effect angelegt, macht aber namentlich durch geistvolle Instrumentirung, die überhaupt auch in diesem Werke wiederum Bruch’s Hauptstärke, einen keineswegs üblen Eindruck. Der dritte Satz ist ein düster und edel gehaltenes, modulatorisch nicht uninteressantes Grave, an Stelle des der heutigen Generation immer ferner liegenden und deshalb so selten gelingenden eigentlichen Adagios. Die Gedanken dieses verwendbaren Stückes erscheinen übrigens weniger ausgesprochen, mehr recitirend rhapsodisch und concentriren sich nur in einzelnen unheimlichen Schauermomenten. Den verhältnißmäßig schwächsten Eindruck macht das sich unmittelbar an denselben anschließende Finale. Man hat fortwährend das Gefühl, als habe sich der Autor an und in dem ganzen Stücke nicht recht innerlich erwärmt. Dasselbe arbeitet sehr unruhig erregt hin und her und kommt nur in dem zweiten zwar ganz hübschen nur leider etwas banal ausgefallenen Thema hin und wieder etwas zur Ruhe. Der Autor hat in diesem Satze unstreitig zu Vielerlei zum Theil aus diversen Anklängen zusammengepackt, was die Klarheit des Zusammenhanges beeinträchtigt. Ueberhaupt fehlt der neuen, mit anderen Werken dieses Autors nicht auf gleicher Höhe stehenden Symphonie auch im Allgemeinen hinreichend einheitlicher Charakter und Zusammenhang zwischen den verschiedenen Sätzen und erscheint es rathsam, die ersten drei lieber in zwei, drei verschiedenen symphonischen Werken zu verwenden und mit logisch übereinstimmenden neuen Sätzen zusammenzustellen, den letzten aber getrost ad acta zu legen. –