Eine Zeitreise durch die Fischereigeschichte
27. September 2020 bis 31. Januar 2021, Clemens Sels Museum Neuss
In seiner aktuellen Ausstellung „Fisch Land Fluss“ widmet sich das Clemens Sels Museum vom 27. September bis zum 31. Januar 2021 einem Thema, das aufs Engste mit der Entwicklung der Menschheit verbunden ist: der Geschichte der Fischerei, die sich zugleich als eine Geschichte des Überlebens darstellt – und zwar für den Menschen wie für den Fisch.
Fische und Meeresfrüchte gehören zu den ältesten Nahrungsmitteln des Menschen. Ob Hecht, Karpfen, Brassen oder Muscheln: Flüsse, Seen und die See waren schon immer ergiebige Nahrungsquellen, und ihre »Ernte« wird auch heute noch allgemein geschätzt. Zugleich ist der Fischbestand eine Messlatte für den jeweiligen Zustand des Ökosystems: Rhein und Erft beispielsweise waren einst fischreiche Gewässer, in denen viele »Wanderer« wie Lachse, Maifische und Aale auftauchten – bis ihnen die Industrialisierung des 20. Jahrhunderts und die damit einhergehende Verschmutzung der Gewässer ihre Lebensgrundlage entzog.
Faszinierende Exponate und viele originalgetreue Nachbildungen erzählen zehntausend Jahre Fischereigeschichte in all ihren Facetten und lassen wunderbare Wasserwelten entstehen.
Von der Speerspitze zum Aalschokker
Die Grundformen der heutigen Fischereigeräte – Angeln, Netze, Reusen und Speere – waren schon vor über 8.000 Jahren bekannt. In römischer Zeit deckten erstmals Berufsfischer die immense Nachfrage nach Fisch. Im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit war Fisch in den langen Fastenzeiten vor Ostern und im Winter, in denen kein Fleisch gegessen werden durfte, eine wichtige Proteinquelle. Frischen Fisch konnten sich aber nur Wohlhabende leisten. Ärmere Menschen mussten sich mit Salzheringen und Stockfisch aus Nord- und Ostsee begnügen. Mit der in den Niederlanden entwickelten Schokkerfischerei wurde der Aal Anfang des 20. Jahrhunderts zum Hauptfangfisch im Rhein.
Die Fischfauna im Niederrhein hat sich in den letzten 100 Jahren durch Umwelteingriffe stark verändert und damit verloren die Berufsfischer zunehmend ihre Lebensgrundlage. In den 1940er Jahren verschwanden Lachs und Maifisch aus dem Rhein. In den 1970er Jahren stellten dann die meisten Aalschokker ihren Betrieb ein.
Seitdem haben Umweltschutzmaßnahmen die Wasserqualität im Rhein erheblich verbessert. Lachs und Maifisch wurden wieder angesiedelt. Aber auch viele fremde Tiere und Pflanzen gelangten durch den Fernschiffverkehr und die Öffnung des Rhein-Main-Donau-Kanals in den Rhein und seine Nebengewässer.
Fischerei im Römischen Reich
In der römischen Antike wurden Wassertiere als Lebensmittel sehr geschätzt. Man verzehrte sie frisch und geräuchert oder handelte sie als gesalzene Konserven. Im Meer sowie in Flüssen und Seen wurde intensiv gefischt. Es wurden sogar Fischzuchten angelegt. Erstmals in der europäischen Geschichte etablierten sich Berufsfischer in Küsten- wie auch in Binnengewässern. Der gesellschaftliche Stand der römischen Berufsfischer war unterschiedlich. Er reichte vom Sklaven über den Lohnarbeiter bis hin zum selbständigen Fischer mit eigenem Haus und Boot. Auch Bauern betätigten sich mitunter als Nebenerwerbsfischer.
Die Römer schätzten frischen Fisch: gebraten, gekocht, als Auflauf oder als Eintopf. Am Niederrhein aß man viel Süßwasserfisch, vor allem Lachs, aber auch Hecht und Stör. Viele Gerichte wurden mit Fischsauce (garum oder liquamen) gewürzt. Diese wurde in Spanien und Südgallien aus kleinen Fischen oder Fischschlachtabfällen durch Fermentierung hergestellt und in Amphoren bis an den Rhein verhandelt.
Fischerei im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit
Im Mittelalter fischte ein breites Spektrum an Leuten, vom Bauern oder Handwerker bis hin zum spezialisierten Vollerwerbsfischer. Komplizierte Fanggeräte wie aufwändige Netztypen oder Fischzäune wurden in erster Linie von Berufsfischern eingesetzt. Angeln, Fischspeere und Kescher benutzten dagegen auch Gelegenheitsfischer. Das Fischen mit dem Zegennetz im Rhein war die wichtigste Einnahmequelle der Neusser Fischer. Der Name des Netzes leitet sich von „sagena“, dem lateinischen Wort für „Schleppnetz“, ab. Mit dem „Segenwurf“ wurden vor allem Lachse und Maifische gefangen. Die Zegenfischerei wurde auf dem Rhein bis in das 20. Jahrhundert betrieben.
Mit den Aalschokkern hielt eine neue, effektive Fangtechnik Einzug. Da die großen Mengen gefangener Aale nicht sofort verwertet werden konnten, führte man die am Niederrhein bis dahin unbekannte Aalräucherei ein.
Die Anfänge der Sportfischerei
Bereits in römischer Zeit angelten die oberen Gesellschaftsschichten zur Freizeitbeschäftigung. Auch Kaiser Augustus soll ein begeisterter Angler gewesen sein. Angelruten wurden aus Rohr oder aus dem flexiblem Holz von Kornelkirsche, Wacholder oder Hasel gefertigt. Für Angelschnüre eigneten sich feine Leinen- und Hanfschnüre oder auch das Schweifhaar von Pferden. Die Schnur war mit halben Schlägen an die Spitze und die Mitte der Rute gebunden. So konnte der Fisch beim Brechen der Rute noch über die Schnur in der Hand gehalten werden.
Viele der in der römischen Literatur genannten „Anglertipps“ sind uns auch heute noch vertraut. So sollten Angler ihren Schatten nicht auf das Wasser fallen lassen, das Reden vermeiden, die Fische nicht durch den Ruderschlag ihres Bootes verscheuchen und generell Ruhe bewahren. Als Köder dienten u.a. Brot, Käse, Gerstenmehl, Felswürmer, Taschenkrebse und geröstetes Fleisch. Kunstköder sind in Europa seit der Bronzezeit bekannt. Sie wurden auch in römischer Zeit verwendet. So sollen die Mazedonier mit einer künstlichen „Fliege“ aus rot eingefärbter Wolle und zwei Federn geangelt haben.
Noch im Mittelalter konnte sich nur die Oberschicht den Luxus leisten, zum reinen Zeitvertreib zu angeln. Man angelte mit der Rute und verwendete neben Ködern wie Würmern, Insektenlarven, Fisch und Brot auch aus Federn gefertigte Kunstfliegen. Bis in das 19. Jahrhundert wurden Stockangeln oder „Angelruten“ am Niederrhein nur selten eingesetzt. Erst mit dem Aufkommen des Sportangelns im 20. Jahrhundert wurden sie populärer.
Der Niederrhein als Fischgewässer
Ursprünglich war der Niederrhein ein mäandrierender Strom mit Neben- und Altarmen. 1851 begann man mit dem Ausbau des Flusses zur Wasserstraße. Flussbegradigungen, Ausbaggerungen und der Bau von Buhnen haben die Fließgeschwindigkeit des Rheins immens vergrößert. Große Teile der Ufer wurden mit Betonmauern, Spundwänden oder Steinschüttungen verbaut. Naturnahe Kiesufer sind heute fast nur noch an den Gleithängen der Mäanderbögen anzutreffen. Sie bieten unterschiedlichen Fischarten Lebensräume und Laichplätze.
Die Geschichte der Fischerei ist eine unendliche Geschichte mit vielen Aspekten und interessanten Punkten, die unsere Natur betreffen. Mehr hierzu in der Ausstellung!
CLEMENS SELS MUSEUM NEUSS, Am Obertor, 41460 Neuss
Öffnungszeiten: Di–Sa 11–17 Uhr und So + Feiertag 11–18 Uhr.
Eintritt: Erwachsene 5 € / Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene bis 21 Jahre frei.
TIPP: Jeden ersten Sonntag im Monat ist der Eintritt frei!
Weitere Informationen: www.clemens-sels-museum-neuss.de