Ein Graf auf Abwegen

… das sollten Sie ausdrücklich notieren!
(Prof. Dr. Heinrich Hüschen)

 

Am 5. April 1897 erließ der kaiserlich-königliche Ministerpräsident Kasimir Felix Badeni (1846-1909) in seiner Eigenschaft als Minister des Innern gemeinsam mit seinen Kollegen der Finanzen, der Justiz, des Handels und des Ackerbaus eine Verordnung »betreffend die sprachliche Qualifikation der bei den Behörden in Böhmen angestellten Beamten«. Zweieinhalb Wochen später, am 22. April, folgte ein entsprechender Erlaß für Mähren. Und es folgte ein Proteststurm, wie ihn der polnische Graf italienischer Abstammung kaum vorausgesehen haben dürfte. Daß fortan sämtliche Beamten der beiden Hoheitsgebiete sowohl die deutsche als auch die tschechische Sprache beherrschen sollten, war einer jener liebedienerischen Reißbrett-Entwürfe, mit denen Politiker früherer Zeiten – ich lehne expressis verbis alle Vergleiche mit lebenden Personen und Ereignissen entrüstet ab – immer wieder versuchten, sich bei ihren Verhandlungs- oder Vertragspartnern ein paar Bonuspunkte zu verschaffen: Ungeachtet der Tatsache, daß es auf böhmischem und mährischem Gebiet immerhin ein gutes Drittel rein deutscher Gerichtsbezirke gab (77:216), wollte Badeni mit seiner Pauschalverordnung der slawischen Majorität ein »Zuckerl« hinwerfen, damit die von ihrer Forderung nach einer innenpolitischen Eigenständigkeit ihrer Regionen abstände und nicht länger auf einem Konstrukt beharrte, wie man’s den Magyaren vor dreißig Jahren für ihre Treue im (allerdings derb verlorenen) Deutschen Krieg gewährt hatte, als nämlich mit der Budapester Krönung Franz Josephs I. die Doppelmonarchie Österreich-Ungarn ins Leben gerufen wurde.

Badenis Offerte stieß in den deutschen Gegenden Österreichs auf heftigen Widerstand. Zu allererst natürlich in den direkt betroffenen Bezirken, die darauf gefaßt sein mußten, daß die üblicherweise zweisprachig versierten Tschechen (»Melde gehorsamst, das ja!«) die zumeist nur einsprachigen deutschen Beamten verdrängen und somit nach und nach die Kontrolle auch dort übernehmen sollten, wo sie bislang »nichts zu suchen« gehabt hatten. Prag und Wien waren erwartungsgemäß zwei Hauptschauplätze der Massendemonstrationen, und auch in Graz gingen die Deutschen, die wieder einmal die Zeche zahlen sollten, auf die Straße. Allzu lange dauerte der Spuk nicht. Badeni, der noch Tage vor der Unterzeichnung des Erlasses mit seinem Rücktritt gedroht hatte, um seinen Willen durchzusetzen (auch das eine längst überkommene Vorgehensweise!) – Badeni sah sich am 28. November genötigt, ein weiteres Mal sein Abschiedsgesuch einzureichen, dem Seine Majestät zwei Tage später wohlwollend entsprachen. Am 14. Oktober 1899, am 53. Geburtstag des polnischen Grafen, wurde die wütend bekämpfte Verordnung von dem aktuellen Ministerpräsidenten Clary-Aldringen aufgehoben. voran