…so der Titel einer Doppelausstellung in der Jülicher Zitadelle und der Opladener Villa Römer. Der Jülicher Geschichtsverein 1923 und der Opladener Geschichtsverein von 1979 zeigen in einer spannenden Dokumentation, wie das Leben der Bürger dieser Städte vom Preußentum beeinflusst und verändert wurde.

„So habe ich denn, im Vertrauen auf Gott und auf die Treue und den Mut meines Volkes, diese Rheinländer in Besitz genommen und mit der preußischen Krone vereinigt…“
…leitete König Wilhelm III von Preußen seine erste „Regierungserklärung“ für seine neuen Untertanen ein.

Die Rheinländer hatten gerade murrend und zähneknirschend den „Code Napoléon“ (code Civil) akzeptiert, da kamen die Preußen mit ihren Vorstellungen einer monarchistischen Verwaltungsreform.

Beeinflusst durch die 1848er Revolution versuchten die Bürger die freiheitlichen Ideen auch in Deutschland einzuführen. In Preußen, also auch im Rheinland, verteidigte der König seine Vorstellung von Monarchie und setzte sich durch. Auch mit der katholischen Kirche kam es unter Reichskanzler Bismarck zu heftigen Auseinandersetzungen. In dessen Verlauf wurde u.a. der Kölner Erzbischof von der preußischen Regierung zeitweise inhaftiert. Grund: Die Kirche widersetzte sich einer zivilen Eheschließung und damit einer klaren Trennung von Kirche und Staat.

Wieweit beeinflussten die großen Ereignisse des 19. Jahrhunderts unter den Preußen das Leben der Bürger in den beiden rheinischen Kleinstädten?

Das wollen uns die Kuratoren, Guido von Büren und Michael Gutbier, mit dieser Doppel-Ausstellung zeigen.

Beide Ausstellungen wurden thematisch synchron gegliedert. Hier ein kurzer Überblick:

Welchen Einfluss nahmen die Preußen auf Staat und Verwaltung im Rheinland?

Nach der „in Besitznahme der Rheinländer“ veränderten die Preußen anfänglich nur wenig in der Verwaltung. Das bestehende Zivil-Recht wurde in das „preußische Wahlrecht“ umbenannt, womit sich auch die „königlichen“ Strukturen veränderten. Jülich wurde Teil der Aachener Bezirksregierung und bekam als Kreisstadt ein Landratsamt. Die umliegenden Ortschaften unterstanden den neu ernannten Bürgermeistern. Durch die „Rheinische Städteordnung“ wurde Jülich 1867 offiziell das Stadtrecht verliehen.

Veränderungen für Opladen gab es seit 1816: der Ort wurde mit Bürrig, Wiesdorf und Neukirchen zur Bürgermeisterei Opladen zusammengefasst. Das Stadtrecht verliehen die Preußen Opladen 1857. Allerdings gehörte die Stadt zeitweilig zum Landkreis Solingen. Erst 1914 wird Opladen Sitz der Kreisverwaltung. Nach dem ersten Landrat Adolf Lucas wurde in Opladen ein Gymnasium benannt. Mit fast 2000 Schülern gehört das „LLG“ zu den größten Gymnasien in NRW.

Wie entwickelten sich die beiden Städte und ihre Wirtschaft unter wilhelminischer Herrschaft?

Die Voraussetzungen dafür konnten in beiden Städten nicht unterschiedlicher sein. Die Jülicher Zitadelle mit Ihrem militärischen Umfeld nahmen die Preußen zum Anlass, dort eine Garnisonsstadt aufzubauen. Deshalb wird in Jülich die Ausstellung dazu passend in der Zitadelle gezeigt.
Die enge Festung blockierte die Stadtentwicklung. Erst mit ihrer Öffnung 1860 konnte sich Jülich weiterentwickeln. Auch ein Bahnhof (1870) förderte diesen Trend.
Die Opladener Kreisstadt war geprägt von Kleinindustrie. Auch hierzu schafft der Ausstellungsort, die Villa Römer eine Verbindung. Das imposante Gebäude wurde als Wohnhaus der Fabrikantenfamilie Römer erbaut, die eine „Türkisch-Rot“- Färberei betrieb.
Die rasante Entwicklung der Eisenbahn spielte für Opladens Arbeitsplätze eine immer größere Rolle.
Drei private Bahnlinien berührten Opladen. Sie wurden später von den Preußen verstaatlicht. Auch kam das „Bahn-Ausbesserungswerk“ hinzu. In der „Wilhelminischen Zeit“ arbeiteten dort bis zu 1800 Menschen.

Kulturkampf in den Schulen und evangelische Preußen als Retter kirchlicher Bauten

Jülich liegt in einem traditionell katholisch geprägten Umfeld. Erst die vielen lutherischen Soldaten verhalfen der kleinen Gemeinde zu Anerkennung. Der Pfarrer wurde zum Garnisonspfarrer befördert und dadurch finanziell abgesichert.
Auch die reformierten Protestanten durften die lutherische Kirche nutzen. Dazu befanden sich Juden und Protestanten in der „Stadtverordneten-Versammlung.“

Opladen, mit der Nähe zu Köln, gehörte ebenso zum katholischen Rheinland.

Im Zuge der Industrialisierung kamen jedoch viele Migranten mit protestantischen Wurzeln nach Opladen. Mit Hilfe evangelischer Unternehmer konnte die Bielert-Kirche gebaut werden. Allerdings durften während des Kulturkampfes in katholischen Schulen nur katholische Schüler unterrichtet werden. Gleiche Regeln galten ebenso für evangelische Schulen.

Die Auswirkungen des Kulturkampfes hielten sich jedoch in Grenzen. Viele bedeutende Sakralbauten, die als Ruinen dem Verfall ausgesetzt waren, wurden von den Preußen restauriert oder zu Ende gebaut, so der Kölner Dom, aber auch der Altenberger Dom. Kaiser Wilhelm II. verfügte für den Altenberger Dom nach der Restaurierung die Doppelnutzung für Katholiken und Protestanten.

Was erinnert im Rheinland heute noch an Preußen?

Ab Mitte des 18. Jahrhunderts entwickelte sich mit Unterstützung der Preußen ein reges Vereinswesen in allen Lebensbereichen. Preußisch-militärische Traditionen finden sich heute noch bei Umzügen und Auftritten der Karnevalsgesellschaften und Schützenvereine.

Passend zur EM: Besonders viele Fußballvereine haben preußische Namen angenommen – in NRW allein 90 Vereine! Dazu gehört auch die lateinische Bezeichnung Borussia für Preußen. Welcher Borussia-Fan weiß das schon?

Weitere Informationen: www.preussisches-jahrhundert.de

Text: Karl-Friedrich Hesemann

Villa Römer – Haus der Stadtgeschichte
Öffnungszeiten der Ausstellung

Sa 15.00 – 18.00 Uhr
So 11.00 – 16.00 Uhr
und nach Absprache auch zu anderen Zeiten.

Der Eintrittspreis beträgt vier Euro.
Ein Kombiticket für beide Ausstellungsstandorte kostet sechs Euro.
Eine Führung können Sie unter Telefon (02171) – 4 78 43 buchen.
Die Gebühr beträgt für eine Gruppe bis 15 Personen 25 Euro.

Anschrift
Villa Römer – Haus der Stadtgeschichte
Haus-Vorster Str. 6
51379 Leverkusen (Opladen)
Telefon: 02171 – 4 78 43
E-Mail: geschaeftsstelle@ogv-leverkusen.de

Museum Zitadelle Jülich
Öffnungszeiten der Ausstellung

Mo-Fr 14-17 Uhr
Sa, So u. Feiertag 11-18 Uhr
ab November: Sa 14-17 Uhr, So 11-17 Uhr

Der Eintrittspreis beträgt vier Euro, Familien 6 Euro, Kinder bis 10 Jahre frei.
Ein Kombiticket für beide Ausstellungsstandorte kostet sechs Euro.

Führungsbuchungen (Ausstellung und Rundgänge zu den Außenstandorten): 02461-63419
(Die Führungsgebühr beträgt 50,- EUR, maximale Gruppengröße: 25 Personen)

Anschrift
Museum Zitadelle Jülich
Schlossstrasse
52428 Jülich
Telefon: 02461-937680
E-Mail: museum@juelich.de

Ein umfangreiches Programm begleitet die beiden Ausstellungen. Einzelheiten erfahren Sie über die Vereine in Jülich und Lev.-Opladen.

Das Forschungs- und Ausstellungsprojekt „Das preußische Jahrhundert“, das unter der Schirmherrschaft der Kölner Regierungspräsidentin Gisela Walsken steht, wird vom Land Nordrhein Westfalen, dem Landschaftsverband Rheinland und der NRW Stiftung Natur – Heimat – Kultur sowie lokalen Sponsoren gefördert. Die Zusammenarbeit des Jülicher und des Opladener Geschichtsvereins darf Pilotcharakter für sich beanspruchen.