Hier geht es ums Prinzip. Natürlich können wir, wie’s der Komponist und Pettersson-Enthusiast Markus Brylka getan hat, mit Hilfe moderner Computertechnik fast jede Partitur zum digitalen Leben erwecken – vor allem, wenn es sich um eigene Sachen handelt, für die man den Rest der Welt interessieren will. Doch dürfen wir es auch mit fremdem Eigentume tun? Hat beispielsweise die »Produktion« des Skånegatan V Orkester, auf dessen virtuellen Pulten die Klangbibliothek der Wiener Symphoniker liegt, irgend etwas mit Allan Petterssons dreizehnter Symphonie zu tun, diesem Giganten, der wie der Felsenbeißer Pjörnrachzark aus dem Kreise seiner auch nicht gerade schmächtigen Geschwister emporragt? Wird der unbefangene, in den Entstehungsprozeß nicht involviert gewesene Hörer diese 65-minütige Fahrt überhaupt vom Anfang bis zum Ende durchhalten? Und vielleicht sogar etwas mehr über das Werk lernen, von dem es inzwischen eine gute und eine ganz hervorragende Real-Einspielung gibt?

 

Die Antwort ist ein in allen Punkten klares Ja. Zwar gibt es praktisch keinen Takt, in dem die »synthetische« Zusammenstellung der Töne zu verkennen wäre, doch der Produzent hat sich mit einem solchen Engagement auf die selbstgewählte Aufgabe gestürzt, daß sein Experiment auf einer beeindruckenden Trägerwelle dahingeht: Das »Orchester« fängt tatsächlich das extrem komplexe Konzept ein und differenziert die Ereignisse in einem Maße, daß die kolossale Partitur nicht nur durchhörbar bleibt, sondern auch einen bedeutenden Teil ihrer emotionalen Spannweite behält. Zudem erhalten die strukturellen Gewichtungen durch die Gestaltung »aus einer Hand« eine beachtliche Plastizität, weshalb ich mich denn auch nicht scheue, diese »Einspielung«  als ergänzendes Hilfsmittel zum tieferen Werkverständnis zu empfehlen. Der nächste Schritt führt dann völlig zwanglos zu der neuen Aufnahme des Symphonieorchesters Norrköping, das unter der Leitung von Christian Lindberg einen weiteren Edelstein in seine Pettersson-Krone gesetzt hat.

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