Kammermusikalische Großtaten – das Linos Ensemble und Louise Farrenc

 
Unter den romantischen Komponisten weiblichen Geschlechts erhebt sich, der Freiheitsstatue gleich, die die Grande Nation den abtrünnigen Kolonien des großen Britannien zum Geschenke machte, die markante Gestalt der Louise Farrenc.

Geboren im selben Jahrzehnt wie Hector Berlioz, Frédéric Chopin und Felix Mendelssohn, gestorben vier Jahre nach dem Ende des deutsch-französischen Krieges, gehörte sie – selbstredend – zu einer Generation schöpferisch hochbegabter Künstlerinnen, die nach weit verbreiteter und damals unbedingt herrschender Meinung ihr Licht hätten unter den Scheffel stellen müssen.

Sie tat es nicht. Schrieb Symphonien und Ouvertüren, eine Fülle an Klavier- und Kammermusik, wurde aufgeführt, preisgekrönt – und erntete mit ihren Werken obendrein eine Anerkennung, wie man sie von einem »komponierenden Frauenzimmer« (O-Ton Clara Schumann) eigentlich nicht hätte erwarten dürfen.

Wer hinhört, erkennt das Rezept dieser Durchschlagskraft. Madame kannte nicht nur ihr Metier, zu dem ihr unter anderem der gefragte Antonín Reicha verholfen hatte, sondern wußte obendrein, was sie wollte und konnte – und erreichte damit ohne jedes Wenn und Aber ihre Adressaten, so daß die Presse jauchzte und das Publikum begeistert applaudierte.

In den mittlerweile gut 45 Jahren ihres Zusammenspiels haben sich die Mitglieder des Linos Ensembles mit schöner Regelmäßigkeit und ebenso schönen Erfolgen für das Œuvre von Mme Farrenc stark gemacht – bei ihrem überzeugten und überzeugenden Einsatz seit jeher begleitet von dem Label cpo, das bereits 1993 die Aufnahme der beiden Klavierquintette op. 30 und op. 31 veröffentlichte.

Schon bei diesem Pilotprojekt (dem sich in lockerer Folge weitere Produktionen anschlossen) waren die Pianistin Konstanze Eickhorst, der Geiger Winfried Rademacher und der Cellist Mario Blaumer unter den Ausführenden zu finden – drei Mitglieder der ersten Stunden also, die bis auf den heutigen Tag zum Nukleus des bewundernswert haltbaren Ensembles gehören.

Die drei Kollegen sind es auch, die im Vereine mit dem Linos-Flötisten Kersten McCall die aktuelle cpo-Neuheit bestreiten – ein 80-minütiges Programm, in dem sich Louise Farrenc einmal mehr in ihrem ganzen kammermusikalischen Facettenreichtum präsentieren darf: Die Klaviertrios Nr. 2 d-moll op. 34 und Nr. 4 e-moll op. 45 – letzteres mit einem hochvirtuosen Flötenpart –, die Variations concertantes über ein Schweizerlied op. 20 für Violine und Klavier sowie die Violinsonate  Nr. 1 c-moll op. 37 ergeben ein farbenreiches, breit gefächertes Spektrum der Möglichkeiten, über die die bemerkenswerte Dame ganz offenbar ebenso verfügte wie über eine genaue Kenntnis ihrer Zeitgenossen.

Nachdem seit 2009 bereits die Klaviertrios Nr. 1 und Nr. 3 in der Kopplung mit dem Klaviersextett op. 40 erhältlich sind, rundet sich mit der vorliegenden Veröffentlichung ein Schaffensbereich.