Das Linos Ensemble & der Verein für musikalische Privataufführungen
Großes sei, so pflegte der Dirigent Günter Wand zu sagen, niemals privat. Womit er zweifellos recht hatte, wie unzählige Gegenproben aufs Exempel bestätigen werden. Andererseits kann es mitunter durchaus erforderlich sein, sehr privat zu werden, um wahre Größe zu vermitteln und in die Tiefe des Gemüts einsinken zu lassen: ungestört von jeglichem Wenn & Aber der Kritik, von Kommentaren und äußeren Bekundungen dem Wesen des Kunstwerkes auf den Grund zu gehen.
Das war das Ziel des »Vereins für musikalische Privataufführungen«, mit dem Arnold Schönberg und sein Kreis vor rund einhundert Jahren die Konsequenz aus Presseattacken und Watschenkonzerten zogen. Drei Jahre bestand der Verein, und in dieser Zeit konnte, wer sich wirklich interessierte, in rund 120 Konzerte um die 150 neue Werke hören, die man auf die Aufführungsmittel der Verantwortlichen zugeschnitten hatte: Geschickte Arrangements machten es möglich, selbst Formate eines Anton Bruckner oder Gustav Mahler im »Vereinsheim« vor- und zur Diskussion zu stellen.
Seit einigen Jahren widmet sich das Linos Ensemble der Einspielung ausgewählter Bearbeitungen und nachträglich hergestellter Hypothesen, die im Geiste des historischen Vereins von Künstlern unserer Zeit eingerichtet wurden: Die vierte Symphonie von Gustav Mahler, die siebte Symphonie von Anton Bruckner, die Altenberg-Lieder und das Violinkonzert von Alban Berg pars pro toto seien an dieser Stelle als Beispiele der gelungenen Mischung aus originalen und gewissermaßen posthumen »Privatisierungen« genannt.
Soeben bei capriccio erschienen, verbindet die vorliegende Produktion in einem einzigen Werk das Vorhaben Arnold Schönbergs mit der nachträglichen Ausführung: Gustav Mahlers Lied von der Erde sollte gleichfalls auf das private Programm gesetzt werden, doch schon im ersten Satz gab Schönberg das Projekt auf, das der 1941 geborene Rainer Riehn aufgriff und zu Ende brachte. Ivonne Fuchs und Markus Schäfer singen die Solopartien dieser ergreifenden Symphonie für Alt, Tenor und ein auf Bläser- und Streichquintett, Klavier, Harmonium und Schlagwerk reduziertes Orchester, dessen schlanke Textur sogar für ausgesprochene Kenner der Komposition mancherlei strukturelle Querverstrebungen offenbart, die sich im privaten Kontakt als durchaus bereichernde Erfahrungen schöpferischer Größe erweisen.