Deutsches Volksblatt vom 2. März 1915
Philharmonisches Konzert.
Den Manen Goldmarks galt der erste Teil des Sonntagkonzertes; Beethovens prächtig ausgeführte siebente Symphonie füllte die zweite, kürzere Abteilung aus. Das Vorspiel zu Goldmarks »Götz von Berlichingen« bedeutet im kleinen dasselbe, was diese Oper im großen darstellt, denn auch sie setzt sich aus einzelnen Bildern zusammen, die sich nicht zur vollen Einheitlichkeit aneinander schließen. Dieser Mangel wird sich im Theater minder fühlbar machen. Nach ihrer echt Goldmarkschen Stretta, die mit voller Kraft und lebhaft modulierend mehr äußerlich wirkt, ließ Weingartner eine zweite Ouvertüre, jene zu »Penthesilea«, unmittelbar folgen. Auch hier kriegerische Grundlage, die den Komponisten wie das Orchester zu Kraftentfaltung nötigt, weshalb denn auch die Wirkung zu Beginn versagte. Mit der Zwiesprache der Streicher und der Holzbläser, die ein kleines, aber reizend klingendes Motiv behandeln, wuchs die Teilnahme, aber sie hielt beim breit gemalten Rosenfeste nicht so gleichmäßig an wie bei derselben »Szene« in Hugo Wolfs minder abgeklärter, aber ungleich genialerer »Penthesilea«. Nebstbei bemerkt, liegen dem Hauptthema des Goldmarkschen »Rosenfestes« ganz genau die gleichen Orgelpunktharmonien zugrunde wie dem Anfange des Vorspieles zu »Götz«. Trotz des Meisters bewundernswerter Orchestertechnik, die sich kaum einmal verrechnet, und immer nur den Wohlklang berücksichtigt (zum Unterschied von Mahler und anderen), brachte es die Komposition doch nur zu mäßig freundlicher Aufnahme. Mehrfach hörte ich die Frage: »Weshalb nicht lieber ein Bruchstück aus der ›Königin von Saba‹?« Aber die sonst so feinhörigen Philharmoniker scheinen »Stimmen aus dem Publikum« nicht zu vernehmen. – Endlich das A-dur-Scherzo von Goldmark, knapp zuvor von Hofkapellmeister Lehnert gebracht. Das beste der drei. Von den absichtlich düster gehaltenen Einleitungsklängen, die auf kein Scherzo schließen lassen, hebt sich das nach kurzem Anlaufe aufstürmende Hauptthema um so kräftiger leuchtend ab. So recht der Virtuosität der Philharmoniker zusagend, eroberte sich der frohe Schluß dieser Goldmark-Gruppe mit Recht den größten Beifall. – Einer blieb der Ausführung fern, ein stiller, bescheidener Mann, der hier so oft seinen eigenen Klängen gelauscht, Goldmark, der tote Meister. H. (Deutsches Volksblatt vom 2. März 1915)