… ein zusammengewürfeltes Programm

… und sparte nicht mit schroffen Worten, als er sich am 20. November 1878 in der Presse über die Werkfolge des Ersten Gesellschaftskonzertes im Musikvereinssaale verbreitete:

• Die diesjährige Saison hat keinen so erfreulichen Anlauf genommen, wie wir es zu erwarten gewohnt sind. So hatte schon das erste Philharmonische Concert in Betreff seines Programms eine große Enttäuschung in seinem Geleite und dieser Vorwurf läßt sich noch in einem höheren Grade dem ersten Gesellschafts-Concerte machen, welches Sonntag vor acht Tagen im großen Musikvereinssaale stattfand. Es kamen in dem letzteren zur Ausführung: Bach’s Cantate »Herr Gott Dich loben wir«, dann als Neuigkeit »Violinconcert« mit Orchester von Goldmark, Beethoven’s Arie des Florestan aus der Oper »Leonore« (frühere Bearbeitung), eine Neuigkeit von Bizet unter dem Titel »L’Arlesienne« und Mendelssohn’s 114. Psalm (»Da Israel aus Egypten zog«). Etwas Geschmackloseres kann man sich doch wahrlich nicht denken, als die Zusammenstellung jener Cantate von Bach mit der Suite Bizet’s, welche für eine Production von der Bedeutung eines Gesellschafts-Concertes nicht das geringste Anrecht mitbringt. Ein so zerbröckeltes, zusammengewürfeltes Programm stimmt nicht zu der Mission, welche den Gesellschaftsconcerten zufällt und ebensowenig stimmte die Ausführung jener Bach’schen Cantate zu den Traditionen, die sich an diese Concerte knüpfen. […]

Am meisten fesselte das Interesse die zweite Nummer, »Violinconcert«“ mit Orchester von Goldmark, welches der Concertmeister Herr Lauterbach aus Dresden vortrug, denn Herr Lauterbach erfreut sich schon längst der wärmsten Sympathien unseres Publicums und der Name Goldmark hat ebenfalls einen vollen, schönen Klang. Dies »Concert« ist eine so gediegene und stimmungsvolle Composition, wie man sie nicht anders von Goldmark erwarten kann; namentlich ist das Adagio so tief gedacht, ja man möchte sagen, so tief ergrübelt, daß eine entsprechende Wirkung sich kaum herausarbeiten läßt. Ueberhaupt hat der Componist den Interpreten seines Werkes mit Schwierigkeiten gesegnet, die mit dem Effect des Vortrags nicht im Verhältniß stehen, und insofern bietet dieses Concert einem Virtuosen, dessen Vorzüge, wie bei Lauterbach, mehr in einer fein nuancirten Plastik der Spielweise, als im großen warmen Ton des Ausdrucks liegen, nicht die dankbarste Aufgabe. Wenn dennoch sich der Künstler zur wirksamsten Geltung zu bringen und einen glänzenden Erfolg zu erringen wußte, so zeugt dieses Resultat nur für seine eminente Meisterschaft. Was ihm vielleicht an Wärme und Feuer abgeht, ersetzt er reichlichst durch einen silberreinen Ton, durch eine vollendete Bravour und vor Allem durch eine klare Gliederung des Vortrages. Den Höhepunkt des »Concertes« dürfte das Adagio bilden. Der erste Satz ist sehr geistreich angelegt und mit anziehenden Details ausgestattet, dagegen fällt der Schlußsatz einigermaßen ab, vielleicht in Folge einer etwas aufdringlichen nationalen Färbung. Der künstlerische Ernst, den Goldmark nie verleugnet, spricht sich auch in diesem »Concert« aus, nur drückt der Ernst hier für ein aus den Virtuosenvortrag berechnetes Concert aus das Tonwesen so schwer, daß dieses wie metaphysisch angehaucht erscheint.