Schaffen • Schöpfen • Künden …

V.

Zehn Jahre nach der Münchner Premiere nahm sich Heinrich Kaminski sein Streichquintett zur leichten Auflichtung der polyphonen Verflechtungen vor. Fast zeitgleich regte Emil Hertzka, der rührige Verlagsleiter der Wiener Universal Edition, eine chorische Streicher-Fassung der symphonisch dimensionierten Musik an. Diese Arbeit überließ Kaminski seinem Schüler Reinhard Schwarz-Schilling, der sich der Aufgabe zu allgemeiner Zufriedenheit annahm. Als Werk für Streichorchester – wie hätte man’s auch anders nennen sollen? – erlebte die Bearbeitung am 22. Februar 1929 in Wuppertal-Elberfeld unter Franz von Hoeßlin ihre Uraufführung. Einige Tage später wurde das Werk in Wuppertal-Barmen zum zweiten Male gegeben. Der Erfolg war ein allgemeiner, wie die abschließenden Auszüge aus der lokalen Presse zweifelsfrei überliefern:

»Das Werk Kaminskis ist von seltener Schönheit und Eindringlichkeit des Ausdrucks. Auf zwei getragene Sätze, in denen sich edle gesangliche Linien ausspinnen und stellenweise mystische Glut auflodert, folgt ein rhythmisch packendes Scherzo und schließlich eine Fuge, in der der Tondichter der alten Form durch geistvolle Variationen des Themas ganz neue und fesselnde Seiten abgewinnt. […] Die edle, ebenso technisch interessierende wie seelisch erwärmende Tonschöpfung […] wurde von der Hörerschaft mit ungewöhnlicher Herzlichkeit aufgenommen« (BMZ, 23.2.1929)

»Das viersätzige Werk, das immer wieder aus dem Gegensatze eines Soloquintetts mit dem ganzen Orchester Kraft und Wirkung holt (ein Effekt, wie ihn Kaminski in der Art der vorbachischen Zeit oft verwendet) beginnt mit einem feierlichen, getragenen Thema, das immer wieder erklingt, und zwar im Wechsel mit einem in lebhaften Figuren fortschreitenden zweiten Thema. Aus diesen beiden und einem dritten, von weitgeschwungener Mollmelodik, baut sich der erste Satz vorwiegend auf, ohne daß man von einer Durchführung im eigentlichen Sinne sprechen könnnte. Sehr reizvoll erscheint die Umdeutung durch den Wechsel der Instrumentierung, der auf das Schönste das Können und den Reichtum des Komponisten erweist« (Barmer Zeitung, 23.2.1929)

»Als Klangprodukt in seinen orchestralen Auswirkungen und Feinheiten zum nicht geringen Teil ein Verdienst des Bearbeiters, der innerhalb des Streichkörpers ein Soloquintett verwendet und durch geschickte Umrahmung den Gesamtstreichkörper zu farbfrohen Bildern bringt. Der Bearbeiter hat also das Quintett in ein »Concerto grosso« verwandelt, dessen Stileigentümlichkeit ja diese Art mit= und gegeneinander konzertierender Instrumente ist, nur mit dem Unterschied, daß hier dem Concertino nicht die solistische Vorherrschaft so stark eingeträumt ist, daß der übrige Streichkörper in den Hintergrund tritt. Der Gesamtkörper gab den Bildern die leuchtenden Farben. Hinter dieser schillernden Fassade stand die starke Musikerpersönlichkeit des Komponisten, stand derselbe weltabgewandt=verzückte Ekstatiker, dem Musik spontaner Glücksausdruck ist: echt und wahr aus innerster Ueberzeugung geboren, wie man ihn aus seinen schon zur Aufführung gekommenen Werken kennt. Musik (trotz intensivster thematischer Arbeit) aus einem Guß, die, einmal im Zuge, Musiker und Dirigenten trägt und fühlbar den Zuhörer in ihren suggestiven Bannkreis zwingt. Ohne im eigentlichen Sinne fortschrittlich modern zu sein, doch immer fesselnd, Klanghärten sorgsam meidend, hat sie ihre Kraftquelle nicht im rhythmischen, sondern im melodischen Element, auf sicherem Fundament gefestigter Anschauungen fußend. So steht sie dem gegenwärtigen Konzertbesucher weit näher als die exotisch-extremen Rhythmiker, deren Wirkungskreis in der kommenden Generation des vorwiegend rhythmisch bewegten Menschen liegt. Der lebhafte Beifall, den das viersätzige, in einer kraftvollen Fuge gipfelnde Werk, dem Franz v. Hoeßlin ein warmherziger Fürsprecher war, fand, sprach für seine Gefühlsnähe« (Barmer Anzeiger, 26.2. 1929).
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