Die Musik ist echter Goldmark

• In dem gestrigen zweiten Philharmonischen Konzert überraschte uns Altmeister Karl Goldmark nach längerer Pause wieder mit einem neuen Werke. Es ist seltsam um unsere heutige Musik bestellt. Die Jungen sind bedächtig, grüblerisch, objektiv, nur nicht jung, für sie gibt es eine Menge »überwundener« Standpunkte, eine Menge theoretischer Erörterungen anstatt freudigen Musizierens. Wenn aber die Alten uns neue Werke schenken, dann erst fühlen wir den Pulsschlag reiner Kunst. Das ist Musik an sich, warmblütig, echt und lebendig. In Goldmarks Ouvertüre »Aus Jugendtagen« steckt ein Temperament, eine Frische der Erfindung und des Rythmus, um die ihn mancher viel Jüngere beneiden könnte. Der heiße dramatische Atem dieser Musik, der jubelnde Aufschwung des flotten Hauptthemas, die Gestaltungskraft in der Entwicklung und Durchführung der Gedanken, die reiche Polyphonie, die satten Farben des Orchesterklanges, der an die »Sakuntala«-Ouverture erinnernde, mächtig ernporstrebende Schluß, das alles in der Schöpfung eines Zweiundachtzigjährigen ist geradezu verblüffend und beweist eine so ungeheure Lebensenergie, wie sie nur den ganz Großen eigen ist.
(Der Morgen vom 11. November 1912)

• [Philharmonisches Konzert.] »Aus Jugendtagen« nennt Karl Goldmark seine neue Ouverture. Der Gedanke allein, daß der 83jährige Meister mit einer neuen Schöpfung, etwa über einen Zeitraum von 60 Jahren hinweg, in die Jugend zurückblickt, zurückzublicken vermag, ergreift. Goldmarks Jugend waren harte Kämpfe nicht erspart, und noch der Mann hörte seine Musik nicht selten als kraus und bizarr, als melodielos und dissonanzensüchtig bezeichnen. Und doch klingt es so frisch, so hell, so kampffreudig in diesen Zweivierteltaktrhythmen seiner neuen Ouverture, die er so fein untereinander in ein Variationsverhältnis gesetzt hat. Scheinen sie doch immer glücklich, diese Tage der Jugend, wenn ihnen die Erinnerung des Alters nachsinnt. In einem Werke Goldmarks – und das ist das Entscheidende – fehlt es nie an Goldmark.

Der Montag vom 18.11.1912


 
Immer ist ein Meister zu vernehmen, der seinen eigenen Ton hat. Hier deutet ein koloristischer Effekt auf ihn, dort eine warme Melodie individueller Prägung. Eine solche Melodie wohnt im Herzen der neuen Ouverture als Mittelsatz, mit der Goldmark-Triole ebenso ausgestattet wie mit dem langen Atem breiten Sichaussingens. Brillant, effektvoll der Schluß, wie dies der Komponist seit jeher bei seinen Ouverturen liebt. Welches Temperament, welche unverwüstliche Kraft in Karl Goldmark! Man kann sich die Freude des Publikums denken, dem verehrten Meister für seine neue Gabe danken zu dürfen. Es brach, gegen die Direktionsloge gewendet, in stürmischen Beifall aus und ruhte nicht, bis sich Goldmark an der Brüstung zeigte. Julius Korngold
(Neue Freie Presse vom 11. November 1912)

• Philharmonisches Konzert. Zwischen der wundervoll gespielten B-dur-Symphonie von Schumann und der eindrucksvoll wiedergegebenen Zweiten Leonorenouvertüre, je eine Novität von Goldmark und von Alfred Bruneau. »Aus Jugendtagen« bezeichnet der Wiener Meister seine zur Uraufführung gebrachte Ouvertüre, die eher ein symphonisches Tonstück zu nennen wäre. Erstaunlich das heiße Temperament, die zügellose Leidenschaft, die sich in diesem jüngsten werke des ältesten österreichischen Komponisten kundgibt. Es sind nicht etwa in goldener Jugendzeit festgehaltene Einfälle, die Goldmark jetzt zu einem Blütenstrauß verbindet, sondern Erinnerungen, die sich durch ein ganzes langes Leben hinziehen und die sich nun in Musik ergossen.

Neue Freie Presse vom 23.11.1913


 
Eine marschartige Einleitung verrät den Schöpfer der »Königin von Saba«, das Grundthema deutet auf die ungarische Abstammung des Komponisten hin. Wesentlicher ist, daß die nun folgenden, reichkombinierten Variationen den gesund empfindenden Musiker erkennen lassen, der trotz seiner 82 Jahre noch immer was zu sagen hat. Ein gesangvoller Mittelsatz hebt sich von dem rauschenden Allegro, das vorangegangen war, wirksam ab und führt in mächtiger Steigerung zur Koda, die in einer stürmischen Stretta ausklingt. Ohne das geringste von seiner Eigenart aufzugeben, zeigt sich Goldmark in diesen musikalischen Betrachtungen als ein Künstler, der hinter der Zeit nicht zurückgeblieben ist. Es ist geradezu verblüffend, wie sehr er alle Modernität rezipiert, das Gute des Fortschrittlichen in sich aufgenommen und vertieft, das Schädliche von sich ferngehalten hat. Die raffinierte Instrumentation zeigt ihn auf der Höhe der bedeutendsten Neutöner. Die Philharmoniker unter Weingartners Meisterstab brachten die Ouvertüre mit Virtuosität zur Geltung, das Publikum feierte den Komponisten mit herzlicher Wärme. – rp –
(Neues Wiener Tagblatt vom 11. November 1912)

• Im zweiten philharmonischen Konzert schwang sich IMeister Goldmark in jünglingsfrohem Übermut mit einer Ouvertüre aus »Jugendtagen« auf die Schultern des von herzlicher Spielfreude beseelten Orchesters und ließ sich von ihm wie immer zum Siege tragen. Das äußerlich brillante und in strahlende Tonpracht gehüllte Stück – ein echter Goldmark – weiß sich trotz allen oft überschäumenden Temperaments in die Form der Konzertonvertüre kunstvoll einzuschmiegen, zeigt nach einer Einleitung den sich rhythmisch und thematisch reich entwickelnden und geistvoll variiert auslebenden, ungemein frischen Hauptsatz, der sich ein unmittelbar an ihn anschließendes, stimmungsvoll-feines Adante zum lieblichen Gegensatz wählt, um aufs neue in das Hauptthema zu stürzen und dieses in prächtiger Steigerung zum glanzvollen Schluß zu führen. Die Philharmoniker ließen sich die befeuernde Aufforderung ihres Dirigenten nicht zweimal sagen und erspielten der Ouvertüre mit einer, der blühenden Jugend des greisen Meisters nichts nachgebenden, feurigen Begeisterung einen vollen Erfolg. – Goldmarck [!], der in der Direktionsloge saß, wurde stürmisch akklamiert.
(Sport und Salon vom 22. November 1912)

• Der zweiundachtzigjährige Goldmark beschenkt uns mit einer Ouvertüre »Aus Jugendtagen«. Die Form der Ouverture ist, wie fast immer bei Goldmark, hier erweitert; wenn man trotzdem formell nicht von einer symphonischen Dichtung sprechen kann, so doch inhaltlich. Die Tage der Jugend steigen auf, beleuchtet von der Sonne eines weisen Alters, durchglüht von der Wärme des Erlebten und Empfundenem. Das Hauptthema der Ouvertüre, dem eine wuchtige Einleitung vorangeht, wird durch wechselreiche Variationen geführt. Ein langsamerer Mittelsatz unterbricht das kunstreiche Spiel, um wieder dem Hauptteil, neuerlich verändert, Platz zu machen; eine glänzende Koda führt zum wirkungsvollen Abschluß. Der Komponist, der, nebstbei bemerkt, auch in einigen neuen von dem hochbegabten Fräulein Julia Goldner in einem eigenen Konzert vorgetragenen Klavierstücken erstaunliche Frische und unverminderte Schaffenslust bekundet [NB: Georginen op 52], war selbstverständlich Philharmonischen Konzert Gegenstand großer Ehrungen. Nichtsdestoweniger schien uns die Wiedergabe unter Herrn Weingartner gerade nicht von der begeisternden Ueberzeugung getragen zu sein, es mit dem Werke eines Künstlers zu tun zu haben.
(Arbeiter-Zeitung vom 24. Dezember 1912)

• [Brünn:] Als zweite Novität brachten die Philharmoniker Goldmarks Ouvertüre »Aus Jugendtagen«. In diesem musikalischen Tagebuch ist nichts von Sorge und Enttäuschung zu finden und der Held dieser »Jugendtage« muß sehr übermütig, von froher Zuversicht erfüllt und verliebt gewesen sein. Nach einem gemessenen, schwer einherschreitenden Einleitungsteil, setzt ein keckes und kouragiertes Thema ein, drängt in knappen Rhythmen alles Düstere beiseite und stürmt mutig in die weite Welt, nimmt scheinbar andere Züge an, bleibt aber immer dasselbe. Die Variantenform ist wohl nur der Ausdruck für all die Abenteuer des im Hauptthema symbolisierten Jünglings. Der breit hinströmende Mittelteil ist echter Goldmark, von jenem Glanz und jener unverwüstlichen Pracht in Melodie und Instrumentation, die alle seinen Werken das wunderbar reizvolle Gepräge verleiht. Die Philharmoniker dürfen sich zu ihrem Dirigenten Veit beglückwünschen. Man muß das immer wieder von neuem sagen. Sie stehen unter dem Kommando eines liebenswürdigen Menschen, der keine Pose zur Führung braucht. Er beherrscht das Orchester und gibt ihm aus eigenem.
(Deutsches Südmährerblatt vom 28. März 1914)