… von Richard Wagner bis zu Johann Strauß
Theater und Kunst.
Hofoper. »Ein Wintermärchen.« Oper in drei Akten, frei nach Shakespeare von A. M. Willner. Musik von Karl Goldmark. Ihre Musik von einem lebensstarken Drama tragen zu lassen, ist eine natürliche Sehnsucht der Opernkomponisten. Nur wenige finden den Baumeister mit gutem eigenen Material für ihr literarisches Gerüst, und so kommen die Anleihen bei den Größen der Dichtkunst zustande. A M. Willner hat seine Sache nicht schlecht gemacht.
Er hat mit einer großzügigen Brutalität in Shakespeares Werk hineingehaut, starke Aste und schlanke Zweige beiseite geworfen, aber der Stamm blieb uns erhalten. Die drei ersten Akte des Dramas wurden in einen zusammengezogen. In der Oper weilt Polixenes, der Herrscher des sagenhaften Böhmen, schon längere Zeit bei seinem Gastfreund Leontes, dem König von Sizilien, und Hermione, die schon seit drei Monaten Perditas Mutter ist, gibt mehr Grund zur Eifersucht. Perditas Raub erfolgt in einer wirkungsvollen Szene. Hermione singt der Kleinen ein Wiegenlied, während hinter ihr der in Erz gepanzerte Antigonus herbeikommt, um ihr das Kind zu entreißen. Perditas und des Prinzen Florizel Liebesleben an der Küste Böhmens sind der zweite Akt, der dritte enthält Leontes Reue, die Wiederkehr des Polyxenes, die Ankunft des Liebespaares Perdita und Florizel und Hermiones Erlösung aus dem Marmorbann zum Leben. Diese Vorgänge gaben dem 76jährigen Goldmark Gelegenheit, seine Schöpfungskraft als Komponist in den mannigfachsten Formen zu zeigen. Er ist ein Eklektiker der Methode, der es allen Schulen recht gemacht hat, oder keiner. Sicherlich aber dem Publikum, indem er auf die Stileinheit verzichtete und jedem Ereignis die Musik gab, die dazu paßte. Von der hohen dramatischen Gangart bis zum Dreivierteltakt, von Richard Wagner bis zu Johann Strauß ist jede Gattung des auf der Opernbühne Dagewesenen vertreten, ja, o Sünde, o Rückfall! Perdita hat eine wirkliche Koloraturpassage zu singen. Seine glänzende Instrumentationstechnik zeigt sich besonders im Vorspiel, in welchem aus brausender Tonflut ein Violinsolo sich losringt und in pianissimo beinahe verklingt, bis wieder das Fortissimo emporsteigt. Die stimmungsvollste Stelle vielleicht der ganzen Partitur ist die Begrüßung Hermiones durch Leontes, die vom Chor und dann von der Königin wiederholt wird. Der zweite Akt ist im Genre der komischen Oper gehalten. In der Statuenszene antwortet dem Orchester ein Harmonium hinter der Szene, ein glänzender Einfall des Komponisten, der wiederholt erscheinen mußte und einen glänzenden Triumph gefeiert hat. Dazu verhalf auch die große Garde der Hofoper, Fräulein Mildenburg als Hermione, Fräulein Kurz, die als Perdita die dankbarste Rolle hatte. Slezak als Leontes, Demuth als Polixenes und Schrödter als Prinz Florizel. Professor Roller schuf glänzende Dekorationen.