… ungarisch gefärbt, aber selbständig erfunden …

Dann betrat Karl Goldmark das Podium. Er hatte für die festliche Gelegenheit ein neues symphonisches Tonstück, »Zrinyi«, geschrieben. Das Stück hat die Form einer Ouvertüre trotz des sehr breiten Mittelsatzes, den aber Goldmark in allen seinen Ouvertüren anwendet. Die Thematik ist vorwiegend ungarisch gefärbt, aber selbständig erfunden, nicht etwa an Volkslieder sich anlehnend. Ungeachtet der strahlenden Schönheit aller dieser Themen dünkt uns doch gerade derjenige Teil der Komposition als der wertvollste, der des nationalen Kolorits entbehrt, nämlich der breite Gesang der Streicher in As-moll. Die Ouvertüre beginnt mit einem langsamen Satze, der auch gleich die ganze Thematik entrollt, die natürlich meisterlich durchgeführt wird. Wie fast immer bei Goldmark, krönt auch hier ein mächtig gesteigertes Allegro, das uns aber ein wenig zu knapp schien, das ganze Gebäude. Von einem strikten Programm kann nicht die Rede sein. Das eine aber mag gesagt sein, daß nicht das eigentlich Heldenhafte Zrinyis, sondern dessen menschliche Seite geschildert erscheint. Der Komponist, der das glänzend instrumentierte Stück selbst dirigierte, war Gegenstand der tosendsten, orkanartigen Beifallskundgebungen.
(Neues Wiener Tagblatt vom 8. Mai 1903)