… das Flügelrauschen des Goldmark’schen Genius
Zu enthusiastischen Ovationen kam es jetzt, als Karl Goldmark, von Kapellmeister Kerner geleitet, vor die Rampen trat. Die Musiker erhoben sich, und auch sehr viele Parket[t]besucher standen auf, um den greisen Meister zu ehren. Minutenlang hörte man nichts als donnernde Applaussalven und brausende Eljenrufe. Bewegt dankte Goldmark und griff dann zum Taktstocke, um sein symphonisches Tongemälde »Zrinyi« zu dirigiren, das er für diesen festlichen Anlaß geschrieben hat und das hier aus dem Manuskript zur Uraufführung gelangte. Nach Beziehungen zwischen Titel und Inhalt wird man vergeblich suchen, denn Programmmusik im eigentlichen Sinne ist »Zrinyi« nicht. Es wäre auch müßig, sich hier an das Dichterwort zu halten: »Im Auslegen seid frisch und munter, legt ihrs nicht aus, so legt was unter«. Phantasiebegabte Kommentatoren, die mit Vorliebe musikalische Düntzerei treiben, werden vielleicht aus dem ersten und dem letzten Theile dieses Tongemäldes wilden Waffenlärm, das Schmettern der Kriegshörner und das Krachen der rauchenden Trümmer von Szigetvár heraushören. Wir vernehmen überall nur das Flügelrauschen des Goldmark’schen Genius, wir erquicken uns an dem Farbenschmelze seiner Instrumentirung und an der herrlichen Melodik seiner Weisen. Schwermüthig (in D-moll) setzen die Streicher ein, schalmeiartig nimmt die Klarinette das erste Thema auf, und die anderen Instrumente spinnen es fort. Auffallend ist das starke Hervortreten der Holzbläser, namentlich die Klarinette wird stellenweise förmlich konzertant. Eine ausgesprochene Form ist dann nur schwer zu erkennen, man hört einen reizenden »Lassu«, oft muthet das Werk wie eine Rhapsodie an, hie und da gibt es Reminiszenzen an »Götz«, an die »Saba«, an das »Heimchen«, und der großartig gesteigerte Schluß (in B-dur) ist wieder echtester unverfälschter Goldmark. Das Publikum nahm die Novität mit stürmischem Beifall auf und rief den Komponisten unzählige Male hervor.
(Pester Lloyd vom 5. Mai)