… ein musivisches, aber reizvolles Nebeneinander

Das Werk, das der greise Componist selbst dirigirte, ist im Grunde eine ungarisch gefärbte Rhapsodie, ein musivisches, aber reizvolles Nebeneinander bunt wechselnder Stimmungsbilder; hier wechselt die tiefe, weiche Wehmuth der ungarischen Pusztenstimmung mit den hellen Lauten kräftiger Lebenslust, bald gelangt ernste, tief innerliche Stimmung zu breitem Ausströmen, die dann in den klanggepanzerten Jubel heller Kampfeslust ausklingt. Der Meister hat hier zum erstenmale mit vielem Glücke den Versuch gemacht, die Elemente der nationalen ungarischen Musik, soweit sie specifisch in Rhythmus, Harmonie und Melodiebildung zum Ausdruck gelangen, mit den edlen, reinen Formen classischer Kunst in Vereinigung zu bringen. Ueberraschend ist bei dem hohen Alter des greisen Künstlers der Reichthum seiner Invention, die Frische seiner Melodien, die warme Innigkeit seiner Stimmungen. Die Instrumentation des Werkes zeigt Goldmark auf der alten stolzen Höhe, in der wir ihn in »Der Königin von Saba« und erst kürzlich in seinem »Götz« zu bewundern Gelegenheit hatten. Der Verlauf des Abends gestaltete sich vornehmlich zu einer Kette von rauschenden Ovationen für Goldmark, der schon bei einem Erscheinen von demonstrativem, nicht endenwollendem Beifall begrüßt wurde, eine Kundgebung an der sich mit dem andern vornehmen Auditorium auch Erzherzog Joseph August, Erzherzogin Augusta und die anwesenden Minister v. Szell und Wlassics unausgesetzt betheiligten. Die Ouvertüre fand stürmischeste Zustimmung, wofür der Komponist immer wieder durch Erscheinen vor der Rampe danken mußte, während ihm seitens der Philharmoniker ein Lorbeerkranz überreicht wurde. Eigenthümlicherweise war der Saal nur schwach besucht; der Grund dafür ist wol in der Unvorsichtigkeit zu suchen, mit der die Philharmoniker die Eintrittspreise zu ihrem Festconcert so hoch ansetzten, wie man sie hier nur bei den allertheuersten Gästen in der Oper zu entrichten gewöhnt ist.
(Neue Freie Presse vom 5. Mai 1903)