Dieser Götz ist kein Heros …
(»Götz von Berlichingen.) Aus Wien, 18. d., wird uns gedrahtet: Um den Tondichter Karl Goldmark zu seinem 80. Geburtstage zu ehren, veranstaltete Direktor v. Weingartner heute eine Aufführung der Goldmark’schen Oper »Götz von Berlichingen«, zu der A. M. Willner »Frei nach Goethe« das Buch geschrieben hat. Schon das Werk Goethes bereitet der Aufführung auf dem Theater manche Schwierigkeiten, denn – so packend der »Götz von Berlichingen« beim Lesen ist – in der Darstellung fehlt das ständig gewebte Band der Entwicklung. So stellt sich denn auch die Oper nur als eine Aneinanderreihung von neun Bildern aus der Götzsage dar und die einheitliche Handlung fehlt. Willner und Goldmark haben übrigens den Götz nur als Unterlage genommen und ihr Hauptaugenmerk auf die Adelheid gelegt, die in Frau Weidt eine geradezu klassische Darstellerin fand. Besonders die Sterbeszene wurde von ihr nach jeder Richtung erstklassig vermittelt. Auch der Georg der Frau Kiurina wirkte überaus sympathisch. Der Götz selbst, von Herrn Weidemann vermittelt, ist musikalisch verzeichnet; die Versuche, seine Urwüchsigkeit und seine markige Erscheinung in der Tonzeichnung zu unterstreichen, können nicht erfolgreich genannt werden. Dieser Götz ist kein Heros, sondern ein Pfründner. Der Weislingen des Herrn Schwarz und Herr Leuer als Franz, sowie die Herren Mayr (Bischof), Betetto (Selbitz), Brand, Stehmann, Haydter und Breuer verdienen anerkennende Erwähnung. Das Hofoperntheater bemühte sich, der Oper des greisen Dichters eine Festausstattung zu geben und Direktor von Weingartner, der die Vorstellung selbst leitete, holte aus der Sache heraus, was nur immer möglich war. Jedenfalls gebührte ihm ein Großteil des Beifalles, mit dem der der anwesende Jubilar überschüttet wurde. P.
(Grazer Tagblatt vom 19. Mai 1910)