… eine großstädtische Aufführung
Theater, Kunst und Literatur
Linz, 18. November.
Gestern fand endlich die schon seit längerer Zeit und sorgfältig vorbereitete Premiere des »Götz von Berlichingen« statt, den sein Schöpfer, der berühmte Tonkünstler Karl Goldmark hier selbst in Szene gesetzt und der mit großem Jubel vom stark besetzten Hause aufgenommen wurde. Das Werk, welches den Namen »Oper« trägt, zeigt die Struktur des Musikdramas, wenn es auch einige geschlossene Sätze enthält, die teils im Volks-, teils im Kirchenton gehalten sind und sich in dieser Form als Abkömmlinge einer Kunstrichtung darstellen, die lange allein geltend gewesen ist. Alle jene Opernteile, die wir in der Einführung vom 15. d. M. als besonders wirksam bezeichneten, fanden glänzende Ausnahme. Insbesondere das Oktett-Finale (1.Akt), der Kirchengang zu Bamberg mit dem herrlich abschließenden Eingangschor zur Messe, dann die Szene zwischen Götz und Georg in der Waldlichtung und der ganze fünfte Akt, der in seinem engen Anschluß an Goethes letzte Szenen und in der ganz großartig sinfonisch schildernden Orchesterdarstellung ein Meisterstück der Oper ist. Das ungemein schwierige Werk, dessen Studium unendliche Mühe verursachte, wurde vom Herrn Theater-Kapellmeister Sommer trefflich vorbereitet; der greise Meister Goldmark selbst erhielt freie Verfügung, das Werk einer sensationell wirkenden Schlußredaktion zuzuführen. Karl Goldmark wurde allein und mit den Solisten und dein dirigierenden Kapellmeister – auf die Aufführung werden wir noch ausführlicher zurückgreifen – insbesondere nach dem ersten, zweiten und fünften Akte ungezähltemal stürmisch gerufen. Vielfach wurde die Frage laut, warum sich unsere Hofoper des Werkes, dessen sichere Wirkung außer allem Zweifel steht, noch nicht versicherte.
Mit dem »Götz von Berlichingen« erlebten wir eine großstädtische Aufführung, deren Erfolg hoffentlich auch bei weiteren anhalten wird. Ae. P.
(Linzer Tages-Post vom 19. November 1904)