Ungezwungenheit und Gemüthlichkeit

Opernwoche.

Goldmark’s reizvolle jüngste Schöpfung »Das Heimchen am Herd«, deren Wiederholungen das Opernrepertoire der vergangenen Woche allein ausfüllten, bietet einigen unsere Opernkräften Gelegenheit, ihr Können von der allerbesten Seite zu zeigen. Was uns vor allem wohlthuend berührte, war die Stimmung der Ungezwungenheit und Gemüthlichkeit und die möglichste Enthaltung vom rein Theatralischen, die die Leistungen aller Mitwirkenden beherrschte. In dieser Hinsicht wäre vor allem Frl. v. Ruttersheim als Dot zu nennen, welche ihren sonst ziemlich spröden Bühnennaturell diesmal einen äußerst anheimelnden Zug schelmischer Innigkeit abgewann, der Gesang und Darstellung gleichmäßig erfüllend, der Sängerin einen echten Erfolg in dieser Partie brachte. Einen vorzüglichen Partner hat sie in Hrn. Dawison, der, den John nicht nur mit prächtiger Stimme singt, sondern auch in den dramatischen wie in den gemüthlichen Momenten äußerst charakteristisch darstellt. In der gesanglich nicht sehr schwierigen Partie des Heimchens strömt Frl. Islar eine erquickende Herzenswärme aus, die ihre rührende Wirkung auf den Zuhörer nicht verfehlt. Der passiven Rolle der May kommt das schöne Organ des Frl. Alföldy sehr zu Statten und Hr. Elsner errang sich durch den Ausdrucks- und gefühlvollen Vortrag der Gesänge des Edward, namentlich durch sein schönes Mezzo voce wiederholt Beifall auf offener Scene. Endlich wäre noch Herr Sieglitz zu nennen, der in der Figur des Tackleton eine äußerst gelungenen Carrikatur auf die Bühne brachte. Sehr gut einstudirt und voll seltener Frische klangen die Chöre, nur während der Verwandlung vor dem Traumbild des zweiten Aktes werden die Elfenstimmen von der Macht des Orchesters übertönt. Diese in allen Theilen so gelungene, nahezu mustergiltige Aufführung der Novität gibt nicht nur ein Zeugniß der Leistungsfähigkeit unseres Opernensembles ab, sondern bildet auch eine Mahnung, den gleichen Fleiß und die gleiche Beachtung aller Details auch bei Einstudirung anderer Opernwerke walten zu lassen; der künstlerische wie der materielle Erfolg wird dann sicher nicht ausbleiben. Dr. B.
(Montags-Revue aus Böhmen vom 26. Oktober 1896)