Der Wiener Componist von »Heimchen am Herd«
Der Wiener Componist von »Heimchen am Herd«
Wieder hat ein österreichischer Componist an der Wiener Hofoper einen großen wohlverdienten Erfolg errungen, wieder hat die Theorie des Directors Jahn, dass die einheimischen Musiker nichts zu leisten vermögen, ein Echec erlitten und das Publicum hat den Leiter der Hofbühne Lügen gestraft. Diesmal war es ein anerkannter Musiker, der dem Ruf der österreichischen Componisten schon oft Ehre gemacht hat, der am Schlusse der Saison mit seinem Werke die Anerkennung des Publikums und der Kritik sich erwarb.
Karl Goldmark, der Componist von »Heimchen am Herde«, hat mit seiner Oper, welche vorvergangene Woche über die Bretter gieng, sich von einer ganz neuen Seite gezeigt, er hat bewiesen, dass er auch ein Meister des leichten Genres ist, und dass er, ein moderner Musiker, dem geänderten Geschmack des Publicums mit seinem reichen Können zu folgen vermag.
Karl Goldmark wurde als Drittältester von vierundzwanzig Geschwistern in Keszthely in Ungarn am 18. Mai 1830 geboren. Schon frühzeitig verlegte sich der Knabe auf das Violinspiel, so dass er bereits als 13jähriger Knabe in Ödenburg mit Erfolg auftreten konnte. Ein Jahr später nahm er in Wien Unterricht, den er jedoch wegen Geldmangels abbrechen musste, um ihn dann vier Jahre später als Techniker wieder mit Erfolg aufzunehmen. Mit 28 Jahre wagte Goldmark, nachdem er sich als Geigenspieler bei vielen Bühnen bethätigt hatte, ein Concert mit eigenen Compositionen, welches nach Überwindung der größten Schwierigkeiten mit Zuziehung des Hofopern-Orchesters stattfand. Dasselbe hatte einen großen Erfolg und machte den jungen Künstler noch in weiteren Kreisen bekannt. In dieser Zeit entstand das bekannte Streichquartett und Quintett die Geigensuite und die berühmte Sakuntala-Ouverture. Allein an ein Opernwerk wagte sich der Componist nicht, trotz der Erfolge, die er mit seinen Compositionen erzielt, bis er endlich mit seinem Hauptwerk der großen Oper »Die Königin von Saba« vor die Öffentlichkeit trat. Die Oper hatte großen Erfolg und machte Goldmark zu einem berühmten Mann und zu einem der bedeutendsten deutschen Operncomponisten. Sie zog über alle Bühnen der Welt und wurde in mehreren Sprachen übersetzt und überall, wo sie zur Aufführung gelangte, fand sie den gleichen, ungetheilten Erfolg. Weniger Bedeutung errang sich die romantische Oper »Merlin«, welche der »Königin von Saba« folgte, aber auch sie hielt sich als Repertoirestück der Wiener Hofoper, wenn sie auch nicht allzuoft dem Publicum vorgeführt wird. In den letzten Jahren schien sich Goldmark von der Bühne fernhalten zu wollen, er versuchte sich als Musikschriftsteller und trat als offener Anhänger Richard Wagners auf, so dass niemand geahnt hätte, dass er sich von der sogenannten »schweren«, classischen Musik abwenden werde. Und trotzdem hat dies Goldmark mit seinem »Heimchen« gethan und hat ein Werk geschaffen, das in seiner Bedeutung der »Königin von Saba« an die Seite gestellt werden kann, aber doch so ganz anders ist, als dieses moderne Meisterwerk. Goldmark ist keiner von den produktiven Komponisten, welche die Opern und Compositionen nur so aus dem Ärmel schütteln,dafür aber sieht man denselben die Feile an und der Erfolg bleibt ihnen daher auch nicht aus.
In unserer Illustration geben wir ein Bild von dem österreichischen Componisten, der seit vielen Jahren in Wien wohnt, und welcher nunmehr wieder den Ruhm der einheimischen Musiker im Ausland neu kräftigt. Das interessante Blatt vom 2. April 1896