Man muß da sehr viel hineinpressen …

Ueberwundener Standpunkt, vieux jeu! [Mendelssohn: vierte Symphonie] sagen unsere modernen Kraftgenies, welche neuestens den Darwinismus, Hypnotismus und andere halbentdeckte Geheimnisse musikalisch in Angriff genommen haben. Modern in diesem Sinne ist auch die Ouvertüre von Goldmark »Im Frühling«, eine bemerkenswerte für Innsbruck neue Nummer, die Schlußnummer des Concertes. Man irrt wohl kaum, wenn man vermuthet, dass unter dem Eindrücke von Beethoven’s »Pastorale« und dessen A-dur Symphonie, Goldmark eine Reihe von Tonstücken geschrieben hat. Die »Ländliche Hochzeit« ist dem Publicum als eine der freundlichsten Compositionen dieses durchaus modernen, immer lebhaft erregten, oft auch überreizten Tonsetzers bekannt. Ebenso seine »Frühlingshymne« mit ihre reizenden Detailmalerei der im Frühlinge hervorquellenden Wasserläufe und Waldbächlein, die sich zum mächtigen Bergstrome vereinigen. Die Ouvertüre »Im Frühling« gehört nicht zu den bedeutenden Tonwerken, zu jenen, welche unmittelbar ergreifend, aufrichtige Bewunderung einflößen. Für ein Frühlingsbild erscheinen die Dimensionen der Partitur viel zu groß. Man muß da sehr viel hineinpressen, viel tonmalerischen Stoff verbrauchen, bis der eigentliche Kern, der substantielle musikalische Gehalt zum Vorschein kommt. Für die Unklarheit der Naturschilderung muß da ein Aufwand von Klangwirkungen und musikalischen Redensarten entschädigen. Dass im Finale, welches doch die Auferstehungsfeier aus der Winterstarrheit bedeuten soll, gar so viel Blechmassen und Beckenwirbel mit nahezu unangenehmer Aufdringlichkeit in Verwendung kommen, ist ein naturalistisches Kunststück der oben angedeuteten Art. (E.L.)