… eine schöne Musik ist es …
Die dritte Nummer von Carl Goldmark ist eine Novität, und die Philharmoniker haben dem Componisten derselben, wie ich höre, einen Beweis großen Vertrauens gegeben, denn sie haben die Komposition auf ihr Programm gesetzt, ehe sic fertig geschrieben war. Goldmark hat das in seine Fähigkeit gesetzte Vertrauen auch vollkommen gerechtfertigt. Es ließe sich zwar darüber streiten, ob für seine neue Komposition »Ländliche Hochzeit«, die Bezeichnung Symphonie angemessen sei, denn die herkömmliche Form der Symphonie ist nicht eingehalten, der erste Satz beginnt mit einem Thema, darauf folgen Variationen, die nicht mit einander verbunden sind, wie dies in symphonischen Variationensätzen sonst der Fall ist, sondern jede Variation steht da getrennt und abgesondert für sich, und der Componist hätte, da ein inneres Band fehlt, diese Variationen, wenn es ihm beliebt hätte, in’s Unendliche vermehren können. Die fünf einzelnen Sätze haben untereinander ebenfalls nicht den in der Symphonie sonst üblichen Zusammenhang. Eine symphonische Dichtung im Sinne Liszt’s oder Berlioz’ ist Goldmark’s Werk aber auch nicht, obwohl er uns durch die Bezeichnungen: »Hochzeitsmarsch«, »Brautlied«, »Serenade«, »Im Garten«, »Tanz«, welche er den einzelnen fünf Sätzen beilegt, etwas Derartiges erwarten ließ; denn bei Goldmark ist kein Fortschreiten von Thema zu Thema im Sinne einer darzustellenden Handlung, sondern jeder Satz ist rein musikalisch, unbeeinflußt von außerhalb der Tonkunst liegenden, poetischen Motiven durchgeführt. Läßt sich aber auch über die Bezeichnung Symphonie streiten, so wollen wir uns hier um den Namen nicht kümmern und uns an die Sache halten. Sei Goldmark’s Werk keine Symphonie, so viel aber steht für mich fest, eine schöne Musik ist es, die uns Goldmark in seinem neuesten Werke geboten hat. Seine Originalität tritt allerdings nicht mehr m dem Grade hervor wie in seinem Streichquartett, er ist von der Oper schon zu stark beeinflußt; doch sind in diesem Werke, ja in dem »Andante« allein mehr Züge seiner Eigenthümlichkeit zu erkennen, als in der ganzen »Königin von Saba«. Dieses Andante ist einmal wieder recht aus dem Herzen geflossen. Ich kann nicht anders sagen, als daß mir das neue Werk Goldmark’s eine rechte Freude gemacht hat; auf die Fortschritte in der musikalischen Technik und ganz besonders in der Instrumentation lege ich für meine Person weniger Werth, ich will aber doch nicht verschweigen, daß die Fortschritte nach dieser Richtung hin gar nicht zu verkennen sind. (Ed. K. in Das Vaterland vom 11. März 1876)