Zirkus Renz als Konkurrenz
Vom Tage. (Orientalisches. – »Zirkus Renz« – »Die Königin von Saba« – Karl Goldmark. – Goldmark und Hellmesberger …)
Herrn Dr. Ladislaus Rieger, dem Hauptmann der Czechen, der sich bekanntlich in Prag verborgen hält, wurden von einem seiner eigenen Leute, einem nationalen Agitator von noch sehr jugendlichem Alter, zwölf silberne Löffel und ein ditto Schöpflöffel gestohlen. Diese politische Nachricht aus heimatlichen Revieren hat für einen Augenblick alle orientalischen Angelegenheiten, welche zur Zeit die Tagesgeschichte beherrschen, in den Hintergrund gedrängt. Für einen Augenblick nur. Denn obschon die Negierung aus diesem Ereignisse neue Ausgleichshoffnungen und Wiederanknüpfungspläne, diesmal mit mehr Aussicht auf ein glückliches Gelingen, für Jahre hinaus ziehen mag, so kann dies weder den wiedereröffneten Zirkus Renz noch das Hofoperntheater hindern, die orientalische Façon, in welcher Beide selig zu werden suchen, beizubehalten. Daß der Zirkus mit seiner abyssinischen Königin, seinen zehn arabischen Hengsten, seiner afrikanischen Apotheose der »Königin von Saba« des Hofoperntheaters eine empfindliche Konkurrenz bereiten und schließlich den Rang ablaufen werde, wird von der Mehrzahl unserer Kunstfreunde theils gehofft theils gefürchtet. Wenn in dem Rivalitätsstreite der beiden Königinen [!] Vollblutsrechte geltend gemacht werden könnten, so würde die »Königin von Saba« obsiegen. Ein Vollblut-Orientale, Herr Dr. Mosenthal und ein ditto Orientale, Herr Karl Goldmark, haben sie ins Dasein gerufen und ein echt orientalischer Handel war es, der Beide zu dieser Schöpfung vereinte. Herr Mosenthal hat sich, wenn wir recht berichtet sind, für seinen Text nicht weniger als ein Drittel von den Tantiemen des Kompositeurs bedungen, der ihm überdies sechshundert Gulden im Voraus bezahlen mußte. Hätte Herr Goldmark nicht just ein Regierungsstipendium zur Förderung seins musikalischen Strebens erhalten, der arme Teufel hätte den hohen Dichterlohn niemals leisten können.
Es ist auch im Uebrigen reizend, zu erfahren, wie Goldmark, der arme Mann, bei seinem rastlosen künstlerischen Streben und Aufwärtsringen doch Alles nur mit Geld erreichen konnte. Das Quartett, womit er sich in die musikalische Welt einführte, und welches seinen Namen begründete, hatte er für Hellmesberger geschrieben, aber dieser weigerte sich, es in seine Quartett-Soireen aufzunehmen. Da arrangirte der Kompositeur ein Konzert auf eigene Faust und bezahlte Herrn Hellmesberger für dessen Mitwirkung bei der Ausführung des abgelehnten Musikstückes mit seinen vom Lektionengeben ersparten Pfennigen. Der Erfolg war ein glänzender. Hellmesberger selbst umarmte den vor Glück strahlenden jungen Tondichter, und küßte ihm die musengeweihte Stirne. (Isidor Gaiger in der Morgen-Post vom 14. März 1875)