Salzburger Wacht vom 18. Mai 1931

Der Komponist Karl Goldmark
Zu seinem Geburtstag am 18. Mai.

»Es gibt nur einen einzigen Weg zur Genialität«, hat Goldmark einmal gesagt, – »man muß mit ihr geboren werden.« Das instinktive Gefühl in der Kunst, ein Auserwählter zu sein, begleitete Goldmark schon bei einen ersten schöpferischen Versuchen und half ihm dann über eine lange und harte Erprobungszeit hinweg. Denn er hatte das fünfunddreißigste Lebensjahr bereits überschritten, als ihm zum erstenmal ein durchschlagender Erfolg in den Schoß fiel.

Einer deutsch-jüdischen Familie entstammend – sein Vater war Tempelsänger und hatte nicht weniger als einundzwanzig Kinder – wurde Karl Goldmark am 18. Mai 1830 in dem ungarischen Städtchen Keszthely am Plattensee geboren. Von hier übersiedelten seine Eltern schon bald nach Nemeth-Kerestur (Deutsch-Kreuz), wo dann der kleine Karl den ersten Musikunterricht empfing. Die künstlerischen Fähigkeiten des Knaben erwiesen sich gleich zu Beginn als so hervorragend, daß der Vater nicht zögerte, ihn zwecks Ausbildung im Violinspiel nach Oedenburg zu schicken. Bereits mit 13 Jahren konnte er hier unter stürmischem Beifall als Solist in einem Musikvereinskonzert auftreten. Dieser Erfolg ließ in ihm den Entschluß reifen, sich ganz der Musik zu widmen. Er zog also nach Wien zu einem älteren Bruder Dr. Josef Goldmark und wurde hier Schüler des gefeierten Quartettspielers Leopold Jansa. 1847 trat er dann in das Konservatorium ein, wo ihn Gottfried Preyer, der Domkapellmeister von St. Stefan, in Theorie unterrichtete. Doch schon im Jahre darauf sollte dieses Studium ein jähes Ende finden. Die Märzrevolution brach aus, das Konservatorium wurde geschlossen und Goldmarks Bruder, durch einen Irrtum der Teilnahme an der Ermordung des Kriegsministers Latour beschuldigt, flüchtete nach Amerika. Seiner einzigen Stütze auf diese Weise beraubt, konnte Goldmark an ein weiteres Studium nicht mehr denken und war nun gezwungen, sich mühselig das tägliche Brot zu verdienen. Zuerst in Oedenburg und dann in Ofen als Geiger tätig, kehrte er 1850 wieder nach Wien zurück und fand hier Aufnahme als Bratschist am Josefstädter Theater, später am Karl-Theater. In dieser Stellung, die ihm ein Monatsgehalt von 25 Gulden eintrug, verblieb Goldmark volle sieben Jahre, nebstbei als Klavierpädagoge tätig und um die Vervollkommnung seines musikalischen Wissens auf autodidaktischem Wege bemüht. Eine Reihe ungedruckt gebliebener Kompositionen entstanden in dieser Zeit, wurden auch öffentlich aufgeführt, brachten aber noch nicht einen größeren Erfolg. 1858 zieht Goldmark nochmals nach Pest und studiert hier mit Feuereifer Instrumentation und musikalische Formenlehre. Nun gelingt es ihm auch, sein Schaffen von allem fremden Einfluß zu befreien und ihm eine neue, durchaus eigene Note zu geben. Die unter dem Titel »Sturm und Drang« zusammengefaßten Stücke für Klavier, eine Klaviersuite in B-dur und A-moll sind für diesen Umschwung besonders charakteristisch. Nach einjährigem Aufenthalt in Pest kehrt Goldmark wieder nach Wien zurück, diesmal schon ein reifer, seiner künstlerischen Mittel sich vollkommen bewußter Meister. Ein Kompositionskonzert, das er 1861 veranstaltet, findet freundliche Anerkennung und verschafft ihm den Posten eines musikalischen Berichterstatters bei einem namhaften Wiener Blatt, in welcher Stellung er sich für den damals noch befehdeten Richard Wagner einsetzt. Seinen ersten großen Triumph sollte indessen Goldmark erst vier Jahre später feiern, und zwar mit der 1865 von den Wiener Philharmonikern aufgeführten Ouvertüre zu »Sakuntala«. Erst hier zeigte sich der weite Weg, den die Intuition Goldmarks inzwischen gegangen war: die glühende Exotik dieses Werkes, sein schillerndes Kolorit und seine üppige, schwellende Klangfülle wirkten auf die Zuhörer als ein Erlebnis. Mit dieser Schöpfung war nun Goldmark in die Reihe der bedeutendsten Instrumentalisten gerückt.

Der rauschende Erfolg der »Sakuntala« führte Goldmark folgerichtig zu dem Entschluß, sein Können auch an einem dramatischen Werke dieser Richtung zu erproben. Und so entstand die »Königin von Saba«, zu der ihm der Dichter Mosenthal ein sehr gelungenes Textbuch lieferte.

Es ist für die unendliche Sorgfalt, mit der Goldmark seine Werke schuf, kennzeichnend, daß er, obwohl seine Lebensverhältnisse damals noch bescheiden waren, fast ein Jahrzehnt an dieser Oper feilte. Erst am 10. März 1875 erblickte sie das Rampenlicht des Wiener Hofoperntheaters. Es wurde ein Sieg, wie ihn diese Bühne nur selten erlebt hatte und der Name Goldmark stand unter den gefeiertsten der Musikwelt.

Aber auch auf dem Gebiete der Instrumental- und Vokalmusik entfaltete Goldmark in dieser Schaffensperiode eine Tätigkeit, die höchste Beachtung fand und die durch eine Serie erstrangiger Werke ausgezeichnet ist. Es entstand die reizvolle Symphonie »Ländliche Hochzeit«, eine Schöpfung, die selbst der im Lob so zurückhaltende Brahms als genial bezeichnet hat, es folgten die berühmten Liederreihen »Fuscher-Gesänge« und »Der wilde Jäger«, dann aber auch die große Symphonie in Es-dur, die Konzertouvertüren zum »Gefesselten Promotheus[!]«, zu »Penthesilea« und verschiedenes andere.

An Bühnenwerken schuf Karl Goldmark nach der »Königin von Saba« noch fünf weitere Opern, von denen »Das Heimchen am Herd« am bekanntesten ist, während »Merlin«, »Götz von Berlichingen« und »Die Kriegsgefangene« weniger Verbreitung fanden. Zu einer köstlichen Spätblüte wurde die mit 77 Jahren komponierte Oper »Wintermärchen«, deren Partitur der sonst so bedächtige Goldmark binnen weniger Wochen fertigstellte. Die farbenbunte Palette des Meisters zeigt sich hier noch ein letztesmal in ihrer bezaubernden Leuchtkraft und fesselt durch reizvolle Melodienfrische und souverän geführte Orchestration.

Hatte auch Goldmark in seinen künstlerischen Anfängen vielfach mit Not zu kämpfen und fiel ihm der große Erfolg verhältnismäßig spät zu, so fand er im Alter um so reichere Anerkennung.

Ueberblicken wir das Gesamtwerk Goldmarks, so fällt uns vor allem die bunte Mannigfaltigkeit seines Schaffens auf, sein faustisches Streben, jede musikalische Ausdrucksform zu meistern. Orchester- und Opernkomponist zugleich, schuf er auch Kammerwerke, dann Klavier und Violinmusik, Chorgesänge und Lieder und auf allen diesen Gebieten hinterließ er Bleibendes, das den charakteristischen Stempel seiner Eigenart trägt. Eine seltsame Fügung hat es bewirkt, daß sowohl sein erstes Orchesterwerk, die Ouvertüre zu »Sakuntala«, wie auch seine Erstlingsoper »Die Königin von Saba« am berühmtesten wurden und für die schöpferische Individualität Goldmarks typisch geblieben sind. Möge sich auch anderswo in seinen Werken vielleicht noch Schöneres finden – die zarte Poesie des »Heimchen am Herd« und die idyllische Anmut der Symphonie »Ländliche Hochzeit« seien als Beispiel genannt – so ist die Popularität Goldmarks dennoch von jenen zwei Erstlingen getragen und mit dem Begriff des Farbensatten, Exotischen, Sinnlich-Schwelgischen untrennbar verbunden. Zwischen Spätromantik und Moderne ein interessanter Einzelfall, wird Goldmark für die weite Welt in diesen zwei Schöpfungen fortleben. – S. O. F.
(Salzburger Wacht vom 19. Mai 1931)