Der Morgen vom 1. März 1915

Kunst vom Sonntag.
Philharmonisches Konzert.

Nach einer Pause von zwei Monaten wieder ein Philharmonisches Konzert. Wieder eines von jenen, die außerhalb wertender Beurteilung stehen, weil es für sie keinen Vergleichspunkt gibt, weil sie ihren eigenen Maßstab haben. Man kann sich wohl kaum eine weitere Vollkommenheit in Rhythmik und Dynamik denken als die überlegene, von technischen Momenten so gänzlich unbeschwerte, von Wohlklang erfüllte Art, mit der die Philharmoniker gestern alle Teile des Programmes zum Vortrag brachten. Eine prachtvolle Harmonie zwischen Felix v. Weingartner und dieser ganzen Künstlerschar, die in jeder feinen Farbschattierung beinahe den Willen ihres Führers vorausahnt, denn sie sind alle von einem Geiste, das Orchester und sein Dirigent. Es war eine nachträgliche Gedenkfeier für Carl Goldmark, das heldenhaft edle Vorspiel zu »Götz von Berlichingen«, die kraftvolle beginnende und dann in tiefstem Weh versinkende Ouvertüre zu »Penthesilea« und das in sprühendem Übermut wirbelnde A-dur-Scherzo. … (Der Morgen. Wiener Montagblatt vom 1. März 1915)