Goldmark: Neuigkeitsweltblatt vom 7. Jänner 1915
Der Komponist Karl Goldmark gestorben
Der Nestor der deutschen und wohl auch ausländischen Komponisten Karl Goldmark ist am 2. d. M. im 85. Lebensjahr gestorben.
Mit Karl Goldmark ist ein sehr bedeutender Künstler von starker Eigenart dahingegangen. Er mußte lange kämpfen, bis er sein Talent als Komponist znr Geltung bringen konnte. In Keszthely am Plattensee in Ungarn als Sohn eines Kantors, der nicht weniger als 21 Kinder hatte, am 18. Mai 1830 geboren, verbrachte Goldmark eine sehr kümmerliche Jugend und mußte bald darauf bedacht sein, sich sein Brot selbst zu verdienen. Doch äußerte sich seine starke musikalische Begabung schon frühzeitig und der Vater ließ ihm daher in Oedenburg Unterricht im Violinspiel erteilen Und der intellegente [!] Knabe machte so rasche Fortschritte, daß er, erst dreizehnjährig, in einem Konzert des Oedenburger Musikvereins mit Erfolg als Violinvirtuose debütierte.
Ein Jahr später ging er nach Wien, um bei Meister Jansa seine Violinstudien fortzusetzen und seither blieb Wien, von kurzen Unterbrechungen abgesehen, sein ständiger Aufenthaltsort. Im Jahr 1847 besuchte er die Technik in Wien und gleichzeitig das Konservatorium, in welchem er bei Professor Böhm seine Violinstudien fortsetzte und bei Professor Meyer Harmonielehre studierte. Seine materiellen Verhältnisse nötigten ihn jedoch, als Orchestergeiger in den Theatern in Ofen, im Josefstädter und Carl-Theater sein bescheidenes Auskommen zu finden. Doch schrieb er inzwischen bereits mehrere Kompositionen, wie die Lieder »Herzeleid« und »Die Quelle« und insbesondere die »Sakuntala«-Ouvertüre, die in Konzerten großen Beifall fanden.
Endlich konnte er seine große Oper »Die Königin von Saba«, an der er viele Jahre gearbeitet hatte, nach vielen Schwierigkeiten 1875 im Wiener Hofoperntheater zur Aufführung bringen und wurde damit mit einem Schlag berühmt. Sie ging überr alle Opernbühnen und von da an war Goldmark der leidigen finanziellen Sorgen enthoben. Er schuf noch die Opern »Merlin«, »Götz von Berlichingen«, »Die Kriegsgefangene« und das reizende »Heimchen am Herd« sowie zahlreiche Orchesterwerke.
Das Alter lohnte sein immer ernstes Streben reichlich. Die Budapester Oper verlieh ihm das Ehren-Doktorat; der Kaiser zeichnete ihn durch Verleihung des Leopold-Ordens und des Ehrenzeichens für Kunst und Wissenschaft aus. Bis in die letzten Tage war er noch mit Kompositionen beschäftigt.