Erfolgreiche Umbesetzung

Mathilde Claus-Fränkel («Briseïs«)

Neues Deutsches Theater. Die Kriegsgefangene« von Goldmark, über deren Erstaufführung im Sonntagsblatte eingehend berichtet wurde, feierte bei ihrer Wiederholung einen äußeren Erfolg, wie er zu der bisherigen Erfahrung bei Premieren eigentlich im umgekehrten Verhältnisse steht. Dieser Umstand dürfte zum Theile auf die sorgfältigere Ausarbeitung im Allgemeinen, zum Theil aber auf den Umstand zurückzuführen sein, daß die Titelrolle in den bewährten Händen unserer ersten Heroine Frau Claus-Fränkel lag. Wenn Zwei dasselbe thun, so ist es nicht dasselbe, vollends gar, wenn Einer von ihnen es viel besser thut. Frau Claus legte in die ihr zugetheilte Aufgabe nicht nur ihre ganze künstlerische Würde, sondern auch ihre unfehlbare Stimmgewalt, die, obschon noch immer nicht ganz ungetrübt, die antike Gestalt dennoch zu einer bisher nicht geahnten Größe emporhob. Es gelang ihr unbewußt des zündenden Funkens habhaft zu werden, aus dem das heilige Feuer aufloderte, dessen Mitwirkung die düstere Stimmung der Goldmark’schen Partitur bedarf, um den ihr innewohnenden musikalischen Schatz beleuchten und heben zu können. Gar prächtig verstand es die Künstlerin, die Steigerung von der classischen Ruhe, bis zum Ausbruche glühender Liebesempfindung herauszuarbeiten, und hiedurch einen dramatisch-musikalischen Gegensatz zu schaffen, nach dem die Zuhörer des ersten Abends vergeblich lechzten. Das Harfenlied und das Schlußduo fand diesmal eine stürmische Aufnahme. An den Erfolgen der Frau Claus nahm Herr Dawidson einen gleichwertigen Antheil; schon an der größeren Wärme, mit welcher er in dem Terzett-Satze des ersten Actes auftrat, ließ er merken, daß er sich einer durchaus ebenbürtigen Partnerin gegenüber fühlte. Der durch seine Form und vornehme melodische Stimmung getragene kurze Monolog vor der Liebesscene adelte alle bis dahin empfundenen Schwächen der textlichen Unterlage. Es ist nun Hoffnung vorhanden, daß die »Kriegsgefangene« nicht bloß von Achill, sondern auch von uns gerne zurückbehalten wird, statt wie es ursprünglich schien – in ihre Heimath zurückgesandt zu werden. Dr. v. B.

(Prager Tagblatt vom 7. März 1899)