Briefe einer Ballerine

Libe Mihli!

Dahs hab ich gahr nichd gewuhsd, dahs dehr Herr fon Willner auch sohlche Balehde schreibd, woh drihnen geschbrochn wihrd, uhnd dahs dehr Herr fon Goldmark, for dehm ich mich imer gefirchdet hab, weihl ich dih Kenigin fon Saba nichd ferschdehen tuh uhnd Gobfweh dafohn krig, eihne so nehkische Balehdmusig machn kahn, ahls wih der Herr fon Bayer, uhnd so gemidliche Lihder dazuh, ahls wih ihn Mahrta uhnd Zahr uhnd Zimermahn, ohder ihm Goldenen Kreiz, wahs soh hibsch isd, weihl ich mihrs soh leichd merk uhnd weihls Eihnem imer isd, ahls wehn mahns schohn efters geherd hed uhnd mahns schohn lahnge kehnen teht. Dahrum wahr ich soh iberraschd fohn dihsem Heimchen ahm Hehrd, wahs soh rihsig gfahln had uhnd soh fohle Heiser machd, ahls wehns eihn würkliches Balehd wehre uhnd auf eihnmahl komd dahrin auch eihn Ihntermezo, wahs grahd sohlchen Schbekdakl gemachd had, wih ihn dehr Gahwalerija, uhnd da hab ich mihr dehnkt, eihn Teifelskehrl, dehr Goldmark, ehr kahn Ahles, uhnd meihn bekehnter Kridiker, fohn dehm ich Dihr schon efdehrs geschribn hab, had gesagd: dehr Goldmark kahn sogahr dahs, wahs ehr nichd kahn. Nuhr dih Renard mechde ich, wehn sih eihne Koledschin fohn mihr fohm Balehd wehre, ahls Koledschin wahrnen, dahs ich ahn irer Schdehle nichd duhlden mechd, dahs meihn Mahn sich fohn eihnem Heimchen tresden lesd, wehn dihses Heimchen so ausschauhd, wih dih Forster, dih auch gahr nichd fom Hehrd komd, sohndern aus eihnem Rohsenschdrauch heraus uhnd ser leichd dehn Mahn hinter dehn Rohsenschdrauch firen kehnte. Dahs wehre mihr fir meihnen Mahn zuh gefehrlich. Nichd einmahl dehm Barohn erlaubde ich eihn sohlches Heimchen.

Deihne forsichdige
Mizi.

☞ Zwar bin ich ein unbedingter Verfechter diplomatischer Abschriften, doch in diesem speziellen Falle hielt ich es für angebracht, die sehr freizügige Orthographie der jungen Dame in eine lesbarere Variante zu übertragen. EH

Liebe Milli!

Das habe ich gar nicht gewußt, daß der Herr von Willner auch solche Ballette schreibt, wo drinnen gesprochen wird, und daß der Herr von Goldmark, vor dem ich mich immer gefürchtet hab, weil ich die Königin von Saba nicht verstehen tu und Kopfweh davon krieg, eine so neckische Ballettmusik machen kann, als wie der Herr von Bayer und so gemütliche Lieder dazu als wie in Martha und Zar und Zimmermann oder im Goldenen Kreuz, was so hübsch ist, weil ich mir’s so leicht merk und weil’s einem immer ist, als wenn man’s schon öfters gehört hätt’ und man’s schon lange kennen tät. Darum war ich so überrascht von diesem Heimchem am Herd, was so riesig gefallen hat und so volle Häuser macht, als wenn’s ein wirkliches Ballett wäre, und auf einmal kommt darin auch ein Intermezzo, was grad solchen Spektakel gemacht hat, wie in der Cavalleria, und da hab ich mir denkt, ein Teufelskerl, der Goldmark, der kann Alles, und mein bekannter Kritiker, von dem ich dir schon öfters geschrieben hab, hat gesagt: der Goldmark kann sogar das, was wer nicht kann. Nur die Renard möchte ich, wenn sie eine Kollegin von mir vom Ballett wäre, als Kollegin warnen, daß ich an ihrer Stelle nicht dulden möcht’, daß mein Mann sich von einem Heimrechen trösten läßt, wenn dieses Heimchen so ausschaut wie die Forster, die auch gar nicht vom Herd kommt, sondern aus einem Rosenstrauch heraus und sehr leicht den Mann hinter den Rosenstrauch führen könnte. Das wäre mir für meinen Mann zu gefährlich. Nicht einmal dem Baron erlaubte ich ein solches Heimchen.

Deine vorsichtige
Mizi.