… der Operette näher als den wuchtigen Opern

Vom Theater.

Die Goldmark’sche Oper »Heimchen am Herd« ist Samstag mit mehrtägiger Verspätung an der Hofoper in Scene gegangen und hat einen großen Erfolg errungen. Herr Schrödter, der ein großer Landwirt vor dem Herrn ist, hat sich in der Prein, wo er eine kleine Wirtschaft besitzt, so gründlich erkältet, dass die Aufführung um einige Tage hinausgeschoben werden musste. Die Componisten werden in Hinkunft Sänger, welche die Hauptpartien in ihren Werken innehaben, bei Landausflügen begleiten und über ihre Gesundheit wachen müssen, um gegen Störungen gesichert zu sein.

In der hübschen Idee des Textbuches, welches Doctor Willner mit viel Geschmack verfasst hat, lag von vorneherein die Garantie des Erfolges. Ein kleines Familienbild, dem ein Märchenmäntelchen umgehängt wurde, gibt dem Componisten Anlass, eine Fülle der schönsten Melodien anzubringen.

»Heimchen«, eine liebliche Feengestalt, ist der gute Geist des Hauses, »Heimchen« wacht über die braven Menschen, die im Hanse leben, begleitet deren kleine Freuden, verscheucht jedes Weh und zeigt in einem Traumbilde, dass der heiße Wunsch des Ehepaares in Erfüllung gehen und ein kleiner Weltbürger das Glück der Ehe krönen wird. »Heimchen« bringt auch den anderen Menschen Glück, die in diesem Hause verkehren. Ein Mädchen, das sieben Jahre lang auf die Wiederkehr des Liebsten wartet und einem verhassten Freier folgen soll, steht im richtigen Augenblicke dem Manne ihrer Träume gegenüber, der eben wiederkehrt, als sie dem alten Geizhals zum Altare folgen soll. Zum Schlusse erscheint »Heimchen«, freut sich des Glückes und zeigt nach der Gruppe von fröhlichen Menschen hinter dem Wolkenschleier.

Zu diesem ungemein einfachen, anmuthigen Märchen hat Goldmark die reizendste Musik geschrieben. Sie kommt, was Frische und Melodienreichthum anbelangt, der Operette näher als den wuchtigen Opern, die er bisher geschaffen. Das muthet die Hörer warm und traulich an, und sie wurden nicht satt, nach den Actschlüssen Goldmark zu rufen. Freunde schwerer Musik werden sich nicht mit der neuesten Oper Goldmark‘s einverstanden erklären, aber populär wird dieselbe werden, wie keine Oper Goldmarks vorher.

Eine ungemein schöne Ausstattung, eine vollendete Darstellung unterstützten das Werk. Fräulein Renard, wenn auch manchmal etwas zu gemacht in ihrer Liebenswürdigkeit, Frau Forster, Herr Schrödter und Herr Ritter haben Glanzleistungen geboten. Herr von Reichenberg wirkte verdienstlich durch seinen discreten Humor, Fräulein von Abendroth, wohl die langweiligste Sängerin der Hofoper, hielt sich trotzdem ziemlich gut.
(Das interessante Blatt vom 26. März 1896)