Meldungen • Miszellen

… ein Kurzbericht der Wiener Morgen-Post vom 20. Februar 1877 des Inhalts, daß: »Unser gefeierter Gast, der Violin-Virtuose Herr Pablo de Sarasate, […] im letzten »philharmonischen Konzerte« wieder seinen gewohnten Triumph [feierte], der, angesichts der eminenten Virtuosität und des außergewöhnlich süßen Tons, über den der Künstler verfügt, ganz natürlich ist. Statt des versprochenen neuen Violin-Konzertes von Goldmark, welches Herr Sarasate noch nicht vollständig studirt hat, spielte er das Konzert von Max Bruch, eine Komposition, der man wenig Interesse entgegenbringen kann.«

Wäre es möglich, daß Carl Goldmark für die Premiere seiner aktuellen Neuheit den spanischen Publikumsmagneten hatte gewinnen, dann aber nicht völlig von der Komposition überzeugen können? Diesem delikaten Gedanken wäre »in einem gesonderten Verfahren« nachzugehen – nach allem, was man von de Sarasate weiß, kann man Goldmark jedoch nur zu seinem tatsächlichen Solisten gratulieren, » welcher mit dem glänzenden Vortrag der sehr schwierigen und dabei keineswegs sehr dankbaren Composition Goldmark’s einen wahrhaft enthusiastischen Beifall hervorrief«, wie die Presse vom 12. November 1878 in einem ersten kurzen Bericht mitteilt.

Die Morgen-Post vom 11. November war noch schneller (und vorteilhafter): »Großen Anklang fand Goldmark’s Novität, ein Violin=Concert, in welchem das Solo vom Hofconcertmeister Lauterbach aus Dresden brillant ausgeführt wurde. Goldmark’s Komposition ist originell und melodiös und besonders das Trio mit seinen Czardas=Anklängen sprach sehr an. Lauterbach wurde nach jedem Satze mit Beifall überschüttet.«

Und so geht es weiter:

• Herr Concertmeister Lauterbach aus Dresden spielte das neue Violinconcert von Goldmark. Dasselbe fand eine sehr günstige Aufnahme. Während der erste Satz sich mehr an den Musiker wendet und der zweite einer elegischen Stimmung folgt, hebt der letzte, von gefälliger Melodie unterstützte Satz vorzugsweise die virtuose Seite hervor, doch ist die Ausstattung hier stellenweise mehr schwierig als dankbar. Einschmeichelnder Ton, Gediegenheit, Eleganz und Bravour des trefflichen Lauterbach sind bekannt und wurden auch diesesmal durch stürmischen Applaus, der sich zum Schlusse zu mehrmaligem Hervorruf steigerte, gewürdigt. (Signale für die musikalische Welt 1878, Heft 64, S. 6)

• Ed. K. − Neu war in diesem Concerte außer der »<em>Arlesienne</em>« von Bizet auch ein Violinconcert von Goldmark, welches von Herrn Lauterbach in außerordentlich glänzender Weise vorgetragen wurde. Was die Composition anbelangt, so ist darin für Schwierigkeiten, die der Spieler zu überwinden hat, in genügender Weise gesorgt; allein das ist nur äußerlich – Goldmarks Violinconcert hat auch einen inneren Werth, denn es ist eine bedeutende musikalische Leistung. Goldmark gefällt mir immer am besten, wenn er seine eigenen Wege geht, wenn er sich nicht verleiten läßt, die Kameradschaft des Dichters aufzusuchen, in der Meinung, daß Zwei mehr zuwege bringen als Einer. Nicht immer ist dies der Fall, und bei Goldmark aber gar niemals. Sein Quartett ist bedeutend, seine »Sakontala«-Ouverture ist bedeutend, sein neues Violinconcert ist es auch. Von der »Königin von Saba« hingegen rede ich nicht gerne. (Das Vaterland vom 26. November 1878)

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☞ Es ist freilich nicht zu verhehlen, daß die Programmfolge des »Ersten Gesellschafts-Concerts« im Musikvereinssaale, euphemistisch gesagt, eine recht unorthodoxe Mischung zu bieten hatte, über die sich Eduard Schelle ausführlich in der Presse vom 20. November 1878 verbreitete. Da die Länge des Artikels den Rahmen dieser Miszellen sprengen würde, ist Schelles Schelte separat erfaßt − wie auch die entsprechende Mitteilung seines Kollegen Eduard Hanslick vom Vortage.

In einem günstigeren Rahmen fand drei Tage nach der Wiener Premiere die Budapester Erstaufführung des Goldmark’schen Violinkonzertes statt, wie uns das Musikalische Wochenblatt vom 29. November verrät:

• Die Philharmoniker führten in ihrem ersten diesjährigen Concerte am 13. d. Mts. Brahms’ D dur-Symphonie auf, und ich hätte gewünscht, dass der Meister selbst der Aufführung beigewohnt hätte. Eine frischere, exactere Wiedergabe kann man sich nimmer wünschen! Der Erfolg war auch ein durchschlagender, und hat Brahms, durch seine Ungarischen Tänze ohnedem populär, mit der frischen Symphonie Ungarns Hauptstadt im Sturm erobert. Nächstens sollen wir auch das Brahms’sche Requiem hören …. doch darüber später. Eine andere Novität des Abends war Goldmark’s Violinconcert, von Hrn. Lauterbach aus Dresden schön vorgetragen. Mir wurde die Composition nicht recht klar, doch hüte ich mich, ein voreiliges Urtheil zu sprechen. Der Autor der »Sakuntala«, der »Ländlichen Symphonie« und der »Königin von Saba« verdient es wohl, dass man seine Sachen öfters höre, bevor man ein Verdict ausspräche.

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Johann Lauterbach kann auch weiterhin mit Goldmarks Konzert große Erfolge erringen. So in Hamburg, wo er das Werk Anfang 1879 vorträgt und die Signale für die musikalische Welt (Heft 30) zu folgendem Fazit kommen:

Hamburg, 30. März. Einen in jeder Beziehung gelungenen Beschluß ihrer Saison machten die Philharmoniker mit dem Concert zum Besten der Musiker-Pensions- und Wittwen-Casse. Concertmeister Lauterbach, der Trefflichsten Einer aus der reichen Schaar von bedeutenden Violinisten, und unser beliebtes Opernmitglied, der weit und breit bekannte und geschätzte [Eugen] Gura, waren zur solistischen Mitwirkung herangezogen. Lauterbach spielte ein für hier vollständig neues Violin-Concert von Goldmark und seine Schuld ist es gewiß nicht, wenn das Werk es über einen eigentlichen Succes d’estime nicht hinausbringen konnte. Am prägnantesten und erfindungsreichsten giebt sich der erste Satz, während die beiden letzten Sätze nicht das halten, was man sich von der bedeutenden Begabung des Componisten versprochen.

☞ Indessen der Hamburger Erstaufführung, von der hier die Rede ist, ein kurzer, heftiger Protest des Verlegers Hugo Pohle und die aufschlußreiche Replik eines gut informierten Lesers folgten, spielte Lauterbach seine vorzügliche Rolle weiter. Aus Dresden berichtet das Musikalische Wochenblatt vom 27. Februar 1880, Goldmarks Violinkonzert sei »in einem Maasse symphonisch gedacht, dass sich ein neues Geigentalent nirgends damit einführen kann. Die Principalstimme ist eminent unbequem und nur im Mittelsatz dankbar. Aber Hr. Concertmeister Lauterbach ist bei uns ja genügend accreditirt, um nicht ›auf Beifall‹ spielen zu müssen. Und nachdem er das Concert ungemein schön und klar ausgeführt, ward ihm trotzdem auch dieser incl. viermaligen Hervorrufes zu Theil. Natürlich in der Erfindung und prächtig in der polyphonen Durchführung nimmt sich das Werk aus, aber es ist etwas dick instrumentirt und in den Tonarten vielfach unruhig ausspringend.«

☞ Und aus Leipzig heißt es am 22. Oktober desselben Jahres in demselben Blatt: »Den Genuss an dem Lauterbach’schen Meisterspiel haben wir uns in der Hauptprobe zu dem fragl. Concert bereiten lassen und dabei in dem Goldmark’schen Violinconcert eine Novität kennen gelernt, die es trotz mancher Gespreiztheiten des gedanklichen Materials ihres 1. und 3. Satzes und trotz mancher abgebrauchten Passage in der Principalvioline verdient, auch von anderen Violinspielern von der Rangstufe des Dresdener Gastes berücksichtigt zu werden. Dass der erste Satz der Composition uns manchmal wähnen liess, wir befänden uns in einer vocaler Elemente und scenischer Mittel entbehrenden Aufführung der »Königin von Saba« soll dem Componisten nicht weiter zum Vorwurf gemacht werden. Am stilvollsten und einheitlichsten erschien uns der mittlere langsame Satz, wenn er vielleicht auch der am wenigsten Goldmark’sche des Werkes ist, sondern mehr auf andere Einflüsse, namentlich Schumann’sche, schliessen lässt. Dass derselbe auch losgelöst vom Ganzen ähnlich befriedigend wirkt, konnten wir schon früher bei anderer Gelegenheit bemerken.«

Mit seinen letzten Worten dürfte sich der Korrespondent auf eine Aufführung des Mittelsatzes bezogen haben, die gut zwei Jahre früher bei einem Konzert in der Thomaskirche stattgefunden hatte: Damals war »ein Violin-Air von Goldmark … durch Concertmeister Schradieck recht gefühlsinnig und mit herrlicher Tongebung producirt« worden (Neue Zeitschrift für Musik vom 14. Juni 1878). Dasselbe Arrangement für Violine und Orgel wurde 1881 von dem Hamburger Verleger Pohle in den Signalen für die musikalische Welt, Heft 29, als Neuveröffentlichung annonciert.