Der zweite Satz der Goldmark’schen Symphonie (etwa dem Andante in der Mendelssohn’schen Reformations-Symphonie zu vergleichen) schlägt einen natürlich-behaglichen Ton an, ist aber etwas gar zu leicht gehalten; feuriger, sprühender bewegt sich das Scherzo, obgleich auch hier Mendelssohn’s und Schumann’s Vorbild nicht zu verkennen. Etwas fremd tritt in die ganze Symphonie das, nun folgende Adagio, »Die Scene im Garten«, hinein. Goldmark der in den früheren Sätzen der schärfsten, bestimmtesten Zeichnung beinahe das bestechende Colorit opferte, gewissermaassen musikalische Cartons zeichnete, malt in diesem Adagio auf einmal mit Berlioz’ glühenden Farben, man erkennt hier am meisten den Schöpfer der »Königin von Saba«. Aber, dass das ein »Hans« und eine »Grethe« sind, welche hier im Garten zärtlich thun, kann man aus diesen Tönen unmöglich heraushören, welche vielmehr geradezu die Gefühle Romeo’s und Julie’s oder eines Wagner’schen Liebespaares zu illustriren scheinen. An und für sich ist aber der Satz schön und bedeutend, eine breite, drangvolle, echt Goldmark’sche Cantilene wird durch thematische Entwickelung und den ganzen Zauber moderner Instrumentation mächtig gesteigert.

Ein auch mehr kernig-musikalischer, als pastoraler Satz ist das Finale, welches sich »Tanz« betitelt, im Rhythmus dem Finale der Mendelssohn’schen A moll-Symphonie verwandt, geistig aber völlig anders wirkend, in den gehäuften Dissonanzen hie und da etwas hart, aber hart und zugleich schneidig, wie blanker Stahl. Zu bemerken ist, dass dieser Satz in der ursprünglichen Anlage vielleicht um ein Vierttheil länger war und eine grosse Doppelfuge enthielt, auf die sich der Componist besonders zu Gute that; leider musste er auf Andringen des Philharmonischen Orchesters diese ganze, polyphon hochinteressante (wenn auch nicht gerade geistig nothwendige) Partie seines Werkes bei der ersten Aufführung opfern. Einen geistigen, ideellen Zusammenhang dieses Satzes mit dem vorhergehenden, dem Adagio, wüssten wir absolut nicht nachzuweisen, so überraschend und geistreich auch der Componist eben dieses Adagio gegen den Schluss des Finales in das Letztere einführt. Um zu einem abgeschlossenen Urtheil über Goldmark’s Symphonie zu gelangen, müssten wir sie nothwendiger Weise öfters hören. Eines seiner klarsten, frischesten Werke ist sie zweifelsohne, eines seiner originellsten, bedeutendsten aber kaum, und wollte man es gar, wie ein Theil der Wiener conservativen Kritik, des Künstlers Allerbestes nennen, so müssten die »Sakuntala«-Ouverture, die grossen Ensembles in der »Königin von Saba«, das B dur-Quartett und das Adagio der Violinsonate wohl gegen solche Ueberschätzung protestiren.

Die Aufnahme der Goldmark’schen Symphonie seitens des Publicums war eine warm-sympathische, wenn auch nicht so äusserlich brillante, als die der Hofmann’schen, die auch allerdings mit ganz anderen Mitteln in die Massen schlägt, prüft man aber den rein musikalischen Gehalt, doch entschieden hinter Goldmark’s Werke zurücksteht. (Musikalisches Wochenblatt vom 14. Juli 1876)