Elly Ney: Die letzten Konzerte 1967/68

Auszüge aus dem Buch »Worte des Dankes«

(verlegt bei Hans Schneider, Tutzing, im Handel erhältlich)

Beethoven hat einmal gesagt: »Wem sich meine Musik auftut, der muß frei werden von allem Elend, womit sich die Menschen schleppen.« Während die allermeisten Menschen im Alter von 85 Jahren physisch beträchtlich behindert oder pflegebedürftig sind, ist Frau Prof. Elly Ney auf Gastspielreisen und interpretiert Mammutwerke der Klavierliteratur. … Was soll man mehr bewundern, ihr nobles, vergeistigtes Spiel, ihre Gedächtnisleistung, oder ihre Beethoven-Aussage an sich! … Sie vermag mit ihrem Klavierspiel die Menschen zu erschüttern und sie in ihre Hingabe an die Musik fesselnd einzubeziehen. Burghauser Anzeiger, 6. Oktober 1967

Ihr Spiel ist bewundernswert. Immer noch und immer wieder fasziniert die 85jährige Pianistin Elly Ney durch ihre Beethoven-Interpretationen. In Rheydt gestaltet sie vor über tausend Musikfreunden vier der bedeutendsten Klaviersonaten … Elly Ney spielt Beethoven, ihren Beethoven, in jener unvergleichlich schwingenden und ausgewogenen Zeichnung der melodischen Linie und dynamischem rhythmischem Maß. Westdeutsche Zeitung, 23. Oktober 1967

Sie ist die »alte Exzellenz« im Beethovenspiel. Im vollbesetzten Beethovensaal sahen und hörten wir Elly Ney wieder. Sie ist berühmt und beispielhaft für die Leistungskraft des geistig geformten alten Menschen in unserem Zeitalter. Welch eine Gestaltungskraft! Hannoversche Allgemeine, 1. November 1967

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Elly Ney, Foto: © Inge Buhs

Elly Ney rief in den Gürzenich und alle, alle kamen: die Getreuen, die sie ein Leben lang verehrt haben, und die Jungen, um einen Hauch ihres großen Künstlertums zu erhaschen. Und auch in diesem Konzert war wohl niemand, der sich ihrer Ausstrahlung hätte entziehen können … Kölnische Rundschau, 1./2. November 1967

Fast sieben Jahrzehnte ist sich die 85jährige Pianistin treu geblieben. Und das Publikum entlohnt sie mit gleichem: bei ihrem jüngsten Konzert im Gürzenich war der Saal voll besetzt und – natürlich zu Beifall und Jubel gestimmt.
Sie spielt die bekanntesten Titelsonaten Beethovens, die Pathétique, die Mondscheinsonate, die Appassionata und die „letzte“ Sonate. Ihre fernen firnenen Gipfel rückt die alterswissende Elly Ney in jene zugänglichen Sphären, die den Bereich Beethovenscher Geistigkeit ausfüllen. Kölner Stadtanzeiger, 1. November 1967

… Sie ist seit mehr als 50 Jahren auch in Essen auf dem Podium zu Hause.
Ihr Wirken ist unauslöschlich mit Beethovens Klavierwerk verbunden, und wer den Namen der gefeierten Pianistin nennt, verbindet damit auch den Beethovens.
Es ist nur natürlich, daß Elly Neys Beethovenspiel auch die Züge ihrer eigenen Lebensphasen getragen hat. Das Spiel der jungen Elly Ney unterscheidet sich von dem Spiel in ihrem Alter durch seine Abgeklärtheit und stetig zunehmende innere Intensität.
NRZ, 15. November 1967

Jede Wiederbegegnung zählt trotz ihres hohen Alters zu musikalisch-geistigen Ereignissen, die ganz von der Suggestionskraft des Persönlichen bestimmt werden. Ihre Klavierkunst ist Ausdruck eines scharf ausgeprägten Individualismus. Hannoversche Allgemeine, 25./26. November 1967

Das hat es im Weseler Musikleben nach dem Kriege noch nicht gegeben. 35 Minuten lang enthusiastischer Beifall nach einem Klavierkonzert. Spontan erhoben sich die Hörer am Schluß von ihren Plätzen, um der großen alten Dame „Elly Ney“ ihre Ehrerbietung zu bezeugen.
So wie der fast gleichaltrige Artur Rubinstein zum alles beherrschenden Geist Chopins geworden ist, ist Elly Ney die überragende Persönlichkeit als Beethoven-Interpretin.
Rheinische Post, 27. November 1967

…Beim Verklingen der letzten Arietta-Takte herrschte Staunen über die geistige und physische Kapazität der Künstlerin. Als Elly Ney aber dann noch 45 Minuten Zugaben aus dem Ärmel schüttelte, war des Jubels kein Ende. Unter den herausragenden Phänomenen unserer Zeit ist Elly Ney eines der bemerkenswertesten. Weser Kurier, 11. Dezember 1967

… Man faßt das Phänomen der Deuterin Beethovens nicht in der Analyse des materiell gegebenen Klanges. Man muß sich in die Poesie des Herzens, die Elly Ney in ihrem Spiel vermittelt, mit aufgeschlossener Seele einspinnen lassen. Elly Ney verbreitete durch Haltung und künstlerisches Wirken auf dem Podium ein Fluidum der Ruhe, der Menschenliebe, der Zuneigung zu der großen anhänglichen Gemeinde, daß am Schluß des Programmes die Zuhörer mit begeisterten Ovationen alle in ihre Nähe hinströmten …
Stuttgarter Nachrichten, 16. Dezember 1967

Das letzte Konzert am 8. März 1968 in Darmstadt

Elly Ney zu sehen und zu hören, ist besonders für jüngere Menschen ein Erlebnis ganz eigentümlicher Art: eine provokante Herausforderung und eine Mahnung zur Selbstbescheidung zugleich. Man fühlt sich konfrontiert mit der Vergänglichkeit der Zeiten und dem unvergänglichen Kern aller Kunst, man spürt, wie sich die unzerstörbare Menschlichkeit immer wieder im hinfälligen Menschen festzuklammern und zu bewältigen vermag.
Wenn die greise Pianistin die Bühne betritt, wenn sie, mühsam Fuß vor Fuß setzend und dennoch aufrechten Ganges zur Rampe schreitet, um den Begrüßungsapplaus ihres Publikums entgegenzunehmen mit einem Lächeln, das spürbar überschattet wird von einem Anflug wehmütiger, wissender Entsagung – dann kann sich wohl auch der hartgesottenste Gegenwartsmensch einem Schauer nicht entziehen. Ein Stück Vergangenheit steht lebendig mitten in der Gegenwart.
Die fünfundachtzigjährige Künstlerin fühlte sich unpäßlich an jenem Abend. Am Nachmittag hatte sie einen Arzt konsultieren müssen, der ihr von diesem Konzert dringend abgeraten hatte. Aber sie wollte sich nicht schonen. Sie wollte ihr Publikum nicht enttäuschen. Die Pianistin überwand ihre Schwäche mit eiserner Energie …
Zum unbestreitbaren Höhepunkt des Konzerts wurde die Sonate in cis-Moll („Mondscheinsonate“), insbesondere deren erster Satz, das Adagio, und fast ist man versucht, ausschließlich darüber zu schreiben. Kaum gehemmt durch technische Schwierigkeiten erreichte Elly Ney hier den denkbar höchsten Grad an Ausdrucksstärke. Erfreulich unsentimental deutete sie die warme Melancholie aus, glockenrein und glasklar im Anschlag, von letzter Unmittelbarkeit bei aller geistigen Entrückung …
… Die Zuhörer – und wohl auch die kritischsten Musikfreunde unter ihnen waren dankbar und beglückt. Darmstädter Echo, 11. März 1968

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Zum 120. Geburtstag der großen Pianistin Elly Ney im Jahr 2002 hat Colosseum Classics die späten Aufnahmen wiederveröffentlicht: